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Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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wird er sterben.«
    Aber A’isha rührte sich nicht vom Fleck.
    »Lass die Fremden ihre Macht ausprobieren, Si Musa. Wenn unser Kind überlebt, dann zeigt uns Gott damit, dass man ihnen trauen kann. Wenn es stirbt …«, sagte sie mit einem Seufzer, »dann müssen sie wieder gehen.«
    In einer der Hütten schrie das Kind noch lauter. Das schwindende Licht legte einen purpurroten Schleier über die Oase. In der Ferne schimmerte der Sand und malte Trugbilder von Schlössern mit Zinnen und Türmen an den Horizont.
    Si Musa, der wie seine Frau innerlich um seinen Sohn und Erben bangte, gab schließlich nach. Er drehte sich aufdem Absatz um und ging, gefolgt von seiner Frau, in die Oase hinein. Gerald gab Donaldson ein Zeichen. Der war nicht nur der Navigator und einer der Fahrer der Truppe, sondern auch ihr Arzt. Der Schotte studierte gerade in Edinburgh Medizin, als der Krieg ausbrach.
    »Was ist, Chef?«, fragte er.
    »Holen Sie die Erste-Hilfe-Tasche, Bill. Machen Sie schnell. Ihr Kind ist krank.«
    In der Hütte des Anführers brauchte Donaldson nur Sekunden, um seine Diagnose zu stellen. Mit dem Einbruch der Dunkelheit kühlte die Luft ab, aber ihm stand der Schweiß auf der Stirn.
    »Tetanus«, verkündete er. »Ziemlich fortgeschritten, wie es aussieht. Verkrampfte Kiefer, und das Kind ist abgemagert. Fragen Sie die Mutter, wie lange es diese Wunde schon hat.«
    Er wies auf einen langen, nicht verheilten Schnitt am Unterarm des Jungen. Er war rot und geschwollen. Das Kind, das zwischen eineinhalb und zwei Jahre alt zu sein schien, hatte daran gekratzt und damit die Sache noch verschlimmert.
    Gerald fragte, aber keiner konnte die Zeit exakt bestimmen. In der Wüste zählte man die Jahreszeiten und die Jahre, vielleicht noch die Monate. Tage und Wochen interessierten niemanden.
    Der heilige Mann hatte sich hereingeschlichen und beobachtete aus einer Ecke des Raumes die Szene. Vor allem ließ er das sterbende Kind nicht aus den Augen. Er murmelte etwas vor sich hin. Ob es ein Gebet oder ein Fluch war, konnte Gerald nicht ausmachen.
    Donaldson packte ein Fläschchen mit Gegengift aus und gab dem Kind eine Spritze in den Arm. Die Mutter, dieschon alle Hoffnung verloren hatte, protestierte nicht. Si Musa agg Isa beobachtete den Priester, als suchte er herauszufinden, was im Kopf des alten Mannes vorging.
     
    Als sie die Behausung verließen, ging die Sonne gerade als flüssiger Feuerball unter. Ihre Strahlen von Purpurrot über Rosa bis Gold und Türkis fielen durch Myriaden von Sandkörnern, und diese erstrahlten in Grün, Ocker, Purpur und Rostbraun. Feuer aus getrocknetem Kameldung wurden entzündet. Der Wüstenherd wurde herbeigerollt, und Skinner entfachte ein Feuer darin, umringt von einer Schar kichernder Tuareg-Frauen, die noch nie gesehen hatten, dass sich ein Mann die Hände bei der Hausarbeit schmutzig machte.
    Ein Kamel wurde zum Schlachten ausgewählt und getötet, das Fell abgezogen und sorgfältig beiseitegelegt, das Fleisch in sechs gleich große Portionen geschnitten und alles, was nicht essbar war, zur weiteren Verwertung aufgehoben. Auf kleinen Feuerchen in Sandkuhlen wurde Brot gebacken. Bald stieg ein Duft von gebratenem Fleisch in die kalte Nacht. Leary demonstrierte seinen Gastgebern, wie man das Fleisch auf dem mit Benzin geheizten Herd grillte. Gerald ließ weitere Verpflegungsrationen holen und für das Gastmahl vorbereiten. Die Büchsen mit Rinderpastete, Erbsen, Reis, Kartoffeln und gebackenen Bohnen stellten ein großes Opfer dar, das sie in den kommenden Tagen noch bereuen sollten, das wussten sie bereits.
    Das Kind in der Hütte war eingeschlafen. Donaldson schaute besorgt drein. Die Sache stand auf des Messers Schneide. Es tat ihm schon leid, dass er sich überhaupt bereitgefunden hatte, das Kind zu behandeln.
    Anderenorts in der Oase nahmen die Familien ein wenigerüppiges Mahl ein. Zu dem Bankett waren nur die Imashaghen und ihre Gäste zugelassen. Der Anislem beschloss, nichts von den Speisen der Ungläubigen zu essen. Er erklärte sie für
haram
und damit für Muslime verboten, aber Si Musa setzte sich darüber hinweg. Er erklärte, das Essen komme aus Ägypten, wo ebenfalls Muslime lebten. Scheich Harun verschwand zunächst, um Nahrung zu suchen, die besser zu seinem Status passte, aber Gerald bemerkte, dass er im Dunkel der Nacht zurückkehrte, sich am Rande niederließ und zweifellos scharf auf jedes Wort achtete, das gesprochen wurde.
    Das Essen schmeckte vorzüglich. Was sich

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