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Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hat ein paar Erkundigungen angestellt. Von uns weiß niemand etwas über ihn außer der Tatsache, dass er im Krieg mit Großvater zusammen gedient hat. Das waren harte Burschen. Nannten sich die Wüstenratten oder so ähnlich.«
    »Long Range Desert Group. Die LRDG solltest du eigentlich kennen. Die waren noch härter als die Wüstenratten und selbst der SAS 1 . Kein Wunder, dass diejenigen von ihnen uralt werden, die den Krieg überlebt haben.«
    Es war kalt im Haus, und sie beschlossen, in ihr Gartenhäuschen zurückzugehen, um es sich dort bei einer Tasse Kaffee und Senhora Salgueiros Preiselbeerkeksen gemütlich zu machen. Ethan hatte bereits zuvor den Kamin im Wohnraum geheizt. Während er sich um das Feuer kümmerte, kochte Sarah Kaffee für ihn und heiße Schokolade für sich selbst. Die Kekse lagen in einer alten Blechdose mit einem Schottenmuster. Sarah kannte sie aus Kindertagen.
    »Wir haben kaum noch Milch«, sagte sie, als sie das Tablett absetzte. »Wir müssen morgen im Dorf einkaufen. Oder nach Gloucester fahren.«
    Sie ließen sich vor dem Kamin nieder, schauten zu, wie die Flammen das Buchenholz verzehrten, und taten sich an dem Gebäck gütlich. Dabei redeten sie weiter miteinander, nach dem Misserfolg in der Bibliothek etwas weniger lebhaft, dafür mit mehr Tiefgang und Vertrauen als zuvor. Ethan erzählte, wie er seine spätere Frau Abigail kennengelernt hatte, wie rasch sie geheiratet hatten und wie wenig gemeinsame Zeit ihnen vergönnt gewesen war. Er berichtete von den schlaflosen Nächten und leeren Tagennach ihrem Tod, von den
blind dates,
die wohlmeinende Freunde für ihn organisierten, die aber nie zu einem zweiten Treffen führten, wie er sich mühte, in den Alltag zurückzufinden, der ihm völlig sinnentleert erschien.
    Auch sie sprach von verlorener Liebe, von einem Leben mit Büchern und Zeitschriften, von Wissenschaftlerkollegen, die nie zu Lebensgefährten geworden waren, von sexuellen Abenteuern, die schon Wochen später zu Animositäten führten, von einem Herzen, das sich nach mehr sehnte als nach alten Pergamenten, verblichener Tinte oder den Stimmen der Toten.
    Es erschien ihnen durchaus passend, über Liebe, ihr Fehlen und die Sehnsucht danach zu sprechen – angesichts eines so gewaltsamen Todes, eines verdorbenen Feiertages, der die verdiente Ehrung des Lebenswerks eines großen Mannes hätte sein sollen. Sie sprachen ausführlich über Gerald Usherwood, seinen Militärdienst, seine Tätigkeit für die Regierung, seine karitativen Tätigkeiten, seine Leidenschaft für das Heilige Land und die Rätsel seiner Vergangenheit. Dabei lachten sie und vergossen Tränen oder saßen lange Minuten nur schweigend beisammen. Bis Sarah entschied, dass es nun Zeit sei, zu erklären, wie die Dinge wirklich standen.
    Sie steuerte nicht direkt auf das Thema zu. Sie schüttelte sogar kaum merklich den Kopf, als wollte sie sich davon abhalten, es zu tun. Sie wusste, war erst einmal der Rubikon überschritten, gab es kein Zurück. Sie hatte keine Ahnung, wohin der Weg führte. Einige Minuten starrte sie in die kupferfarbenen Flammen. Das Licht fiel auf ihr Gesicht und vergoldete es, als sei sie die Göttin eines lange vergessenen griechischen Kults. Er saß schweigend neben ihr. So ein Augenblick kam vielleicht nicht wieder, dachtesie, oder wenn doch, konnte er durch etwas gestört werden, das außerhalb ihrer Kontrolle lag.
    »Ethan«, sagte sie dann, »ich muss dir etwas sagen. Das muss aber unter uns bleiben. Niemand in der Familie darf es je erfahren.«
    »Das klingt, als sei es ernst«, sagte er.
    »Es ist ernst.« Sie beugte sich vor, nahm den Schürhaken und schob ein Stück Holz in die Flammen. Wie Leuchtkäfer stoben Funken nach allen Seiten.
    »Es geht um meine Mutter«, sagte sie schließlich zögernd. »Um etwas, das sie mir vor drei Jahren auf ihrem Sterbebett anvertraut hat. Ihr streng gehütetes Geheimnis. Ihre verborgene Liebe. Vor dreißig Jahren hatte sie eine Affäre, die bis zu ihrem Tod andauerte. Das Ergebnis bin ich. Mein Vater weiß nichts davon. Sie hat nur mir verraten, wer mein leiblicher Vater ist. Er lebt noch, aber ich habe ihn nie getroffen. Vorgestellt habe ich mir allerdings schon oft, wie ich auf seiner Schwelle auftauche und sage: ›Hallo, Dad, ich bin deine verlorene Tochter.‹ Seinen Namen kannte ich, lange bevor sie mir das Geheimnis eröffnet hat. Er ist ein prominenter Wissenschaftler, ein Historiker.« Sie stockte. »Tut mir leid, ich hätte dir das

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