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Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Schachtel Streichhölzer, die er am Vortag in der Küche eingesteckt hatte, als die Kerzen auf dem Abendbrottisch entzündet waren.
    Er legte die Schachtel neben sich auf den Boden. Die Hölzchen konnten ihm noch ein wenig Licht spenden, bevor er in ewiger Finsternis versank. Einige Minuten später kam ihm jedoch der Gedanke, er könnte sie benutzen, um sich die Tür genauer anzuschauen und vielleicht einen verborgenen Mechanismus zu entdecken, den er nicht hatte ertasten können.
    Behutsam schob er die Schachtel auf, bemüht, nichts auf den Boden fallen zu lassen, und zog ein Streichholz heraus. Es war lang und würde einige Zeit brennen. Er strich es an, und helles Licht flammte auf. Er hielt es so, dass es möglichst lange brennen sollte, und nutzte das Licht, um sich erst einmal zu orientieren.
    Die Tür war, wie er wusste, direkt vor ihm. Auf beiden Seiten verlor sich die Reihe der Särge in der Dunkelheit. All das vor sich zu sehen und es nicht nur mit den Händen zu ertasten verstärkte noch den Schrecken des Augenblicks. Das Hölzchen brannte, so lange es konnte, und erlosch.
    Er stand auf und zündete ein zweites an. Damit untersuchte er den einen Türflügel mit größter Sorgfalt. Beim Schein eines dritten nahm er sich den anderen Flügel vor.Als diesmal die Flamme ausging, war es auch mit dem schwachen Hoffungsschimmer vorbei. Das Licht der Hölzchen hatte ihm bestätigt, dass er nur die glatte Oberfläche einer massiven Tür vor sich hatte, die nicht dafür gemacht war, dass jemand aus dem Inneren dieses Raumes wieder ans Tageslicht zu kommen suchte. Kein Griff, kein Knopf, keine Möglichkeit, das Schloss irgendwie auszuhebeln.
    Er ließ sich in die Hocke nieder und überlegte, ob er sich selbst umbringen sollte. Alles andere, nur nicht hier in der Finsternis verhungern, stickige Luft atmen und dem Tode entgegendriften wie eine faulende Frucht in einer beschleunigten Videoinstallation. Er konnte versuchen, sich zu ersticken, indem er sich das Taschentuch in den Mund stopfte. Aber er wusste, dass der Reflex des Erbrechens es wieder herauswürgen würde. Ein qualvoller Tod in einem langen Delirium erwartete ihn.
    Dann dachte er an Feuer. Es stand in seiner Macht, ein Feuer zu entzünden, das ihn verschlingen und töten würde. Doch wo sollte er genügend Brennmaterial finden, wie ausreichend Hitze erzeugen, um sich selbst zu verbrennen, ohne lange leiden zu müssen?
    Vielleicht konnte er ja einen Strick und irgendwo auch einen Haken finden, um sich zu erhängen. Häftlingen in ihren Zellen gelang das doch auch. Als junger Polizist hatte er einmal einen Mann im Keller des Amtsgerichts abschneiden müssen, zu spät, um sein Leben zu retten. Manche benutzten dafür Schnürsenkel, andere eine Krawatte. Er hatte keines von beiden.
    Er grübelte über alle Möglichkeiten nach, ein Menschenleben zu beenden, musste sich aber eingestehen, dass ihm dazu nichts Brauchbares einfiel. Wenn er es über sich brächte, so dachte er dann, einen der älteren Särge zu öffnen undsich an einem Skelett zu vergreifen, dann konnte ein gebrochener Schenkelknochen vielleicht scharf genug sein, um sich die Pulsadern oder die Kehle durchzuschneiden. Aber ohne Werkzeug gelangte er auch in keinen Sarg. Hier fiel ihm erneut das Feuer ein. Die Särge waren mit Tüchern abgedeckt, die brennen würden wie Zunder. Auch das Holz darunter konnte Feuer fangen, und in einem Sarg gab es die seidene Auskleidung und ein Leichentuch. Vielleicht verbrannte das Feuer einen Sargdeckel so weit, dass er ihn öffnen konnte. Aber das alles war Zeitverschwendung, wenn er es nicht über sich brachte, in einer Leiche zu wühlen, ihr einen passenden Knochen zu entnehmen und sich selbst damit eine tödliche Wunde zuzufügen.
    An diesem Punkt dämmerte ihm, dass er nicht so weit gehen musste. Er brauchte nur einen Sarg an die Tür zu schieben, in Brand zu setzen und abzuwarten, bis die Tür selbst Feuer fing. Dieses würde sie teilweise zerstören, so dass er sie aufbrechen und ins Freie gelangen konnte. Wenn er nicht zuvor an dem Rauch erstickte. Aber vielleicht gelang es ja frühzeitig, eine Bresche in die Tür zu schlagen, durch die der Rauch abziehen konnte.
    Ob das wohl funktionierte? Er wusste es nicht. Doch alle anderen Möglichkeiten hatten sich in Luft aufgelöst. Wenn er nicht bald handelte, würde er vor Kälte wieder in Schlaf versinken und wahrscheinlich nie mehr aufwachen. Sicher ein friedvolles Ende, aber das fürchtete er am meisten.
    Er

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