Die zweite Kreuzigung
steckte die Streichholzschachtel in die Tasche zurück, um sie nicht fallen zu lassen, wenn er ein Feuer zu entzünden suchte. Im Dunkeln tastete er sich erneut die Wand entlang, um einen der älteren Särge auszuwählen. Altes Tuch, altes Holz und alte Knochen – er hoffte, dass dieseKombination schneller zu entzünden war und besser brennen würde.
Der Sarg, für den er sich schließlich entschied, musste genau für diese Nische angefertigt worden sein. Zu beiden Seiten war gerade genug Platz, um eine Hand hineinzuschieben, wobei er sich die Fingerknöchel an den rauen Steinen abschürfte. Den schweren Sarg herauszuziehen war sicher nicht leicht, dachte er bei sich. Aber er hatte keine Wahl. Er packte die Abdeckung aus Filz, so gut es ging. Dabei hoffte er, sie werde fest genug sein, dass er das hölzerne Ungetüm ein Stück aus der Nische herausziehen konnte. Aber wie er sich auch mühte, der Sarg bewegte sich keinen Zentimeter. Nun holte er tief Luft und setzte all seine Kraft ein. Da riss das Tuch, er fiel nach hinten und prallte schmerzhaft gegen die Särge auf der anderen Seite.
Er rappelte sich wieder auf und nahm sich den nächsten Sarg vor. Diesmal schob er die Hände darunter. Wieder riss der Filz, aber diesmal näher an den großköpfigen Nägeln, mit denen es unten am Sarg befestigt war. Dort konnte Ethan nun kräftiger zufassen, wodurch es ihm tatsächlich gelang, den Sarg ein Stück aus der Nische zu ziehen. Stück für Stück, Zentimeter für Zentimeter zerrte er das lange hölzerne Behältnis in die Mitte des Raumes. Als schließlich auch das Kopfende aus der Nische zu Boden plumpste, glaubte Ethan, die Arme müssten ihm abfallen. Er setzte sich nieder und wartete, bis er wieder etwas zu Atem gekommen war. Dabei fürchtete er am meisten einen kleinen Aussetzer, ein kurzes Schwinden seines Bewusstseins, das sein sicheres Ende bedeuten würde.
Mit letzter Kraft schob er nun den Sarg in Richtung Tür, an die er ihn mit der Breitseite anlehnte. Von der Aktion fühlte er sich so geschwächt, dass er es bei diesem einenSarg bewenden lassen musste. Einen zweiten durch den ganzen Raum zu befördern, dafür fehlte ihm die Kraft.
Er riss sich zusammen, stellte sich dicht neben den Sarg, hob den Fuß und trat mit aller Kraft von oben auf den Deckel. Das Holz splitterte, aber es brach nicht. Er versuchte es noch einmal. Nun gab das Brett nach, und sein Fuß fuhr in den Sarg, als berste unter ihm Eis auf einem gefrorenen Teich. Er trat auf etwas, das Knochen sein mussten. Es knisterte wie trockenes Reisig. Obwohl es stockdunkel war, schloss er die Augen, weil er nicht wissen wollte, was er da mit dem Fuß zerstampft hatte. Vorsichtig zog er ihn aus der scharfkantigen Öffnung heraus und trat dicht daneben noch einmal zu. Wieder gaben Holz und Knochen nach, doch diesmal schürfte etwas Spitzes seinen Knöchel auf.
Noch zweimal ließ er den Fuß niedersausen. Dann stand er atemlos und angewidert vor dem aufgebrochenen Sarg. Aus der Sakkotasche holte er die Streichholzschachtel und schob sie auf. Als er das erste Streichholz entzünden wollte, zitterte seine Hand. Er biss die Zähne zusammen, es gelang, und wieder erleuchtete das Flämmchen die Umgebung. Nach kurzem Zögern hielt er das brennende Hölzchen in den Sarg. Etwas fing sofort Feuer. Er zog es heraus, um auch die grüne Abdeckung in Flammen zu setzen. Mit einem zweiten Streichholz hatte er noch mehr Erfolg. Ein drittes und ein viertes folgten. Es brannte wie Zunder. Er packte den Sarg von unten und kippte ihn an, damit die Flammen die Tür besser erreichten.
Zwar hielt er sich ein Taschentuch vor Mund und Nase, aber der Rauch stieg ihm zuerst in die Augen und drang dann nach und nach bis in seine Lunge vor. Als die Flammen wuchsen, wurde der Rauch immer dicker und beißender.Hustend und nach Luft ringend musste er sich in die Tiefe des Raumes zurückziehen. Etwas zu Atem gekommen, rannte er gegen die Tür und trat heftig gegen den unteren Teil, der bereits brannte. Sie gab ein wenig nach, aber der Rauch trieb ihn zurück. Er stach in seinen Augen und biss in seiner Kehle. Die Flammen erleuchteten inzwischen die Tür und den brennenden Sarg, doch er sah, dass ihre Kraft nicht ausreichte. Der Rauch dagegen breitete sich allmählich im ganzen Raum aus. Wenn er ihm keinen Abzug schaffen konnte, dann war es bald um ihn geschehen.
Wieder zwang er sich zur Tür zurück. Diesmal gelang es ihm, den Sarg ausreichend zu kippen, so dass die Flammen die Tür
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