Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
entfernt und auf dem Kirchhof beigesetzt worden, um für neue Platz zu schaffen.
    Das Türschloss wollte nicht gleich nachgeben, aber Ethan konnte das Problem mit einem Spray lösen, den er dafür mitgebracht hatte. Während er sich mühte, leuchtete der Schöne ihm mit seiner Taschenlampe.
    In der Nähe ließ eine Eule ihren traurigen Ruf erschallen. Nackte Weidenzweige reckten sich zum Himmel und raschelten in der leichten Brise. Auf dem Eis des gefrorenen Teiches lag das Mondlicht wie vergossene Milch. Unvermittelt schrie ein Tier am gegenüberliegenden Ufer. Zwischen den Bäumen bewegte sich etwas. Das Schloss gab schließlich nach, und der Schlüssel ließ sich drehen.
    Die Tür öffnete sich mit einem Quietschen, als seien die Angeln miteinander verwachsen. Ethan ging durch den Kopf, man sollte sie ölen, bevor sie völlig versagten. Der Schöne leuchtete hinein. Er sagte kein Wort und gab nichts von der Erregung preis, die ihn gepackt hatte.
    Der Lichtstrahl erfasste den mittleren Teil des Raumes. Er war zu beiden Seiten von tiefen Nischen flankiert, in denen die Särge standen. Der Schwall frischer Luft, der durch die Tür hereinwehte, konnte den muffigen Geruch von Tod und Verfall nicht vertreiben, der dick über dem Raum lag. Spinnweben hingen überall herum, und ihre Bewohner, die ihr Leben lang nur Dunkelheit kannten, flüchteten vor der plötzlichen Helligkeit nach allen Seiten.
    Ethan zögerte einen Moment einzutreten, denn ihm ging durch den Sinn, wie einfach es für die beiden Kerle wäre, ihn und Sarah hier zu töten und liegenzulassen, wo man sie erst finden würde, wenn das nächste Begräbnis anstand. Aber der Schöne schob ihn hinein, gefolgt von Lukács, der Sarah mit sich zerrte.
    Trotz des Lichtstrahls, den der Schöne in das Mausoleum fallenließ, blieb es ein Ort tiefer Finsternis, die sich durch die Augen bis in die Tiefen der Seele senkte. Von der Decke hingen Spinnennetze wie zerschlissene Fahnen, die nach endlosen Jahren ohne Licht verblasst zu sein schienen. Jede Nische und jeder Sarg waren mit Namen versehen, aber Ethan schaute bewusst nicht hin. Einige dieser Menschen hatte er als Kind und junger Mann gekannt, von anderen Vorfahren hatten ihm sein Vater und Großvater vor dem Kamin oder beim Zubettgehen Geschichten erzählt. Dort zu seiner Rechten wusste er, ohne hinzuschauen, Abis Sarg tief in einer Nische verborgen. Die Metallbeschläge rosteten bereits, Spinnweben bedeckten alleSpalten und Risse. Er musste die Vorstellung unterdrücken, wie es dort drinnen wohl jetzt aussah.
    An der Stirnwand lagen auf einem Tisch mehrere Gegenstände, deren Identität nicht sofort erkennbar war. An diese traten sie schweigend heran. Plötzlich hörte Ethan einen heftigen Atemzug dicht neben sich. Es war der Schöne, der zum ersten Mal eine Emotion zeigte. Er murmelte etwas in einer Sprache, die nicht Deutsch war. Vor ihnen lag eine römische Lanze, darunter ein irdener Kelch und etwas, das wie ein Dornenkranz aussah. Der Deutsche – Ethan war jetzt sicher, dass es sich bei dem Schönen um einen solchen handelte – leuchtete mit seiner Taschenlampe die Umgebung ab. Weitere Gegenstände kamen zum Vorschein: ein Holzbrett mit Aufschriften in drei Sprachen, ein weiteres kurzes Holzstück und ein Stück Gewebe, das mehrfach gefaltet war und sehr alt aussah.
    »Ist das alles?«, fragte der Deutsche. »Wenn hier noch mehr liegt, und Sie sagen es uns nicht, dann legen wir sie beide um.«
    »Das ist alles, wovon ich weiß. Etwas anderes habe ich in diesem Hause nicht gesehen.«
    Einige Augenblicke hing ihr Schicksal an einem seidenen Faden. Ethan wusste, wenn sie sterben mussten, würde es jetzt geschehen. Dann nickte der Deutsche. Lukács trat vor, Sarah immer noch an einem Arm gepackt, während sie mit der anderen Hand versuchte, ihren halbnackten Körper zu bedecken. Ihre Füße waren schmutzig, und überall hingen Spinnweben an ihr. Sie unterdrückte einen Schrei, als eine große Spinne über ihren rechten Fuß lief. Mit der freien Hand griff der riesige Kerl unter seinen Mantel und zog einen großen Packen Stoff hervor, der sich im nächsten Moment als eine Sporttasche entpuppte. Er übergab Sarahdem Deutschen, packte die Gegenstände in das Behältnis, wobei er die Lanze in ihre zwei Hälften zerlegte, und zog den Reißverschluss zu.
    »Ich hoffe, Sie haben die Wahrheit gesagt«, stieß der Schöne hervor. »Wenn nicht, dann sehen wir uns wieder.«
    Ethan wollte etwas erwidern, aber in diesem

Weitere Kostenlose Bücher