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Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Für den Ordo Novi Templi und die anderen halb aufgelösten Kulte und Kameradschaften, die an dem alten Glauben festhielten, konnte das von größter Bedeutung sein. Mit der Kraft der Reliquien, der magischen Wirkung, die er den heiligen Gebeinen zusprach, glaubte er sie wiederbeleben zu können. Und nicht nur diese okkulte Halbwelt. Er hoffte ein ganzes Glaubensgebäude wiederzuerrichten, das vor nicht allzu langer Zeit den Erdball terrorisiert hatte. Ein neues Volk, einen neuen Führer, ein neues Reich. Davon hat er geträumt, das weiß ich. Aber bis vor kurzem habe ich geglaubt, seine Träume seien 1951 mit ihm begraben worden.
    Darin habe ich mich geirrt. Meine Quellen berichten mir, dass Aehrenthal einem Verwandten Almásys den ganzen Nachlass abgekauft hat, als er noch in Bernstein lebte. Oder ihn illegal an sich gebracht hat, was mich nicht wundern würde. So oder so ist er in den Besitz der Tagebücher gekommen und hat dort einen Hinweis auf Ihren Großvater und dessen Fund entdeckt. Ich denke, anfangs hat er nicht allzu viel gewusst. Er muss angenommen haben, die Reliquien lägen noch in der Wüste, in der Stadt Wardabaha.
    Das war die Zeit, da er sich für biblische Archäologie zu interessieren begann und mit Antiquitäten aus jener Epoche seinen Lebensunterhalt verdiente. Von Zeit zu Zeit wurde mir von gewissen Nachforschungen berichtet, die er anstellte, von Objekten und Manuskripten, die er gefunden hatte.
    Vor einigen Jahren nahmen einige von uns Aehrenthal schärfer ins Visier als zuvor. Es begann damit, dass ich in London mit einem Mann sprach, der sich als Forscher für das British Museum mit Altertümern aus dem Nahen Osten befasste. Aehrenthal hatte schon mehrfach seinen Weg gekreuzt und, so vermutete er, ihn bei einigen Gelegenheiten mit betrügerischen Mitteln um wichtige Entdeckungen gebracht. Der Mann besucht heute noch die Kirche St Dunstans in London. Er ist kein orthodoxer Christ, sondern Anglikaner. Trotzdem haben er und ich viele gemeinsame Interessen entdeckt. Als junger Priester habe ich Hebräisch und Aramäisch gelernt und mich sehr für biblische Geschichte interessiert. Darüber sprachen wir miteinander und kamen dann auf die Archäologie, von der ich wenig wusste.
    Er erzählte mir, dass Aehrenthal an Almásys Nachlassgelangt sei. Erst Wochen zuvor war er ihm in Jerusalem begegnet. Dort fand er ihn in Hochstimmung. Aehrenthal konnte kaum an sich halten und berichtete meinem Freund, er stehe kurz davor, den Heiligen Gral zu finden. Eine Woche später machte er sich in die libysche Wüste auf. Er hatte ein halbes Dutzend Tuareg-Führer bei sich. Es hieß, er wolle Almásys Expedition, die Suche nach der verschwundenen persischen Armee, zu Ende führen. Aber die Zeit verging, und von ihm samt seinen Führern war nichts zu hören. Man glaubte schon, ihn habe in der riesigen Weite das Schicksal der Perser ereilt und er werde nie mehr zurückkehren.
    Dann aber tauchte er plötzlich in Tripoli auf. Er war stark abgemagert, aber noch arroganter als zuvor. Gegerbt vom Wüstenwind, erschien er wie ein Prophet oder von Dämonen gehetzt. Was er dort draußen gesehen hatte, wollte er nicht sagen. Vielleicht hatte er gar nichts gesehen. Er sprach nicht von einer Entdeckung und hatte auch nichts bei sich. Aber jeder, der ihm damals begegnete, sagte, er habe einen völlig veränderten Mann erlebt.
    Mein Freund reiste nach Tripoli und traf sich mit ihm. Er bot Aehrenthal an, alles zu kaufen, was er in der Wüste gefunden hatte. Doch der behauptete, dort draußen gäbe es nichts, keine Gebeine, nicht einmal Splitter davon. Keine Streitwagen, kein Zaumzeug von Pferden oder Kamelen, keine Rüstungen, keine Speere, Schwerter oder Äxte. Nur Sand. Aber etwas entschlüpfte ihm doch: Er suchte Männer in England, alte Männer, die mit Almásy oder auch ohne diesen in der Wüste gewesen wären – das ließ er offen. Mein Freund fragte ihn nach dem Gral, aber er hüllte sich in Schweigen.
    Bald darauf kehrte Aehrenthal nach Österreich zurück,wo er verschiedene Organisationen aufsuchte und mit mehreren Leuten sprach. Dann kam er hierher nach Transsilvanien und ließ sich in dem Schloss nieder, wo Miss Usherwood gefangen gehalten wurde. Das ist jetzt sein Hauptquartier. Die Österreicher behalten ihn scharf im Auge. Ihr Sicherheitsdienst registriert jede seiner Bewegungen. Hier in Rumänien dagegen kümmert sich niemand um ihn. Natürlich gibt es in Österreich jede Menge alte Nazis und ebenso viele neue,

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