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Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Neuschwabenland, wo die Deutschen eine weit entfernte Kolonie gegründethatten. Von Liebenfels und andere ließen auch nach dem Gral und dem Speer des Schicksals suchen.«
    Ethan spürte, wie ihn ein Kribbeln überlief. War dies das Bindeglied, das ihm bisher gefehlt hatte?
    Der Priester lächelte milde. Sein Gesicht schien nur noch aus Schatten zu bestehen, in denen die faltigen Züge und die grünen Augen schwebten wie Rauch.
    »Almásy war der Erste der Wüstenforscher. Die ägyptische und libysche Wüste kannte er wie keiner vor oder nach ihm. Er reiste per Kamel, Jeep und Flugzeug. Die Wüste war sein, sie gehörte ihm, er besaß sie wie ein Mann eine Frau besitzt, er machte sie zu seiner Geliebten. Und sie gab ihm ihre Geheimnisse preis, sie flüsterte ihm süße Dinge ins Ohr, gab ihm alles, was er sich nur wünschen konnte. Sie schenkte ihm Höhlen, ausgemalt mit schwimmenden Menschen, die die Wellen eines Meeres pflügten, das lange verstummt und tot war. Sie schenkte ihm Oasen in einem Ozean von Sand. Aber anders als in dem Film ist er nicht gestorben, damals noch nicht. Er überlebte den Krieg. Der britische Geheimdienst brachte ihn zunächst in Triest unter, dann in Rom und schließlich im Burgenland, wo er in dem Schloss lebte, seine okkulten Texte las und mit den Meistern uralter Gelehrsamkeit zusammentraf. Sehen Sie, ich weiß, dass all dieses okkulte Zeug einfach lächerlich ist. Ich glaube ebenso wenig an die Theorie der hohlen Erde, wie ich ihre obszönen Vorstellungen von einer Herrenrasse akzeptiere. Aber derartige Ideen hatten einmal große Macht, und sie können sie wieder erlangen.
    Bald darauf war Almásy erneut in Ägypten. Er suchte seine alten Freunde, die Wüstenforscher, auf. 1951 machte er sich mit einer Expedition auf, um nach den Überresten einer großen Armee zu suchen, die die Perser zur Oase Siwageschickt hatten. Herodot berichtet, dass 50   000 Mann in die Wüste zogen und kein Einziger von ihnen zurückkehrte. Man sagt, sie seien immer noch irgendwo dort draußen, ihre Knochen vom Wüstensand verweht. Offiziell heißt es, Almásy sei von dieser Suche wie besessen gewesen.
    Es sollte jedoch sein letztes Abenteuer werden. Bevor es richtig losging, zog er sich eine Amöbenruhr zu. Er wurde krank nach Europa gebracht, wo er in einer Klinik in Salzburg starb.«
    Der Priester legte eine Pause ein. Nun näherte er sich dem Kern der Sache.
    »An Almásys Tod ist etwas merkwürdig«, sagte er dann. »Als sein Bruder seine Wohnung in Kairo aufsuchte, fand er sie leer. Alle Papiere waren fort, alle Wüstentagebücher und alle Karten. Die Pläne für die Expedition nach Siwa waren verschwunden, ebenso seine sämtlichen Aufzeichnungen über die Höhle der Schwimmer. Nichts von alledem war mehr da.«
    »Aber was hat das alles mit Egon Aehrenthal oder Sarah und mir zu tun?« Obwohl sich die libysche Wüste weit weg jenseits des Mittelmeeres befand, konnte Ethan ihren heißen Atem auf seiner Wange spüren. Wie war das alles nur geschehen? fragte er sich. Sie hatten die Mitternachtsmesse besucht und wollten das größte Weihnachten feiern, das seine Familie je erlebt hatte. Aber sie stürzten in ein Blutbad, sahen Reliquien von Jesus Christus und waren nun an einen Ort geraten, den er nur aus Vampirfilmen kannte …
    Pater Iustin antwortete.
    »Ich denke, Almásys Papiere sind bald nach seinem Tod irgendwie auf Burg Bernstein gelangt. Dort haben sie gelegen, bis Jahre später Egon Aehrenthal auf sie stieß. Erfand Bücher und Aufzeichnungen, die seine Fantasie erregten. Besonders eine Sache muss ihn gepackt haben. Er las etwas von den Reliquien. Almásy ist Ihrem Großvater Gerald in Kairo begegnet und hatte auch die anderen Mitglieder der LRDP-Patrouille kennengelernt, die zusammen mit Gerald die verschwundene Stadt entdeckten. Irgendwie hat Almásy Wind von dem Ort bekommen, wo man auf die Reliquien von Jesus gestoßen war und vielleicht mehr als das.
    Die Suche nach den Überresten der nach Siwa gezogenen persischen Armee war ein Bluff. Viele Expeditionen hatten sich schon auf den Weg gemacht, aber niemand hatte sie gefunden. Die Wüste ist riesig, man kann dort ein Leben lang suchen und immer mit leeren Händen zurückkehren.
    Almásy war nicht an toten Persern interessiert. Er vermutete, dass er in der Nähe der Oase Siwa auf die Gebeine von Jesus stoßen könnte. Das sollte ihm die Möglichkeit geben, auch den anderen Reliquien auf die Spur zu kommen, die bereits von dort entnommen waren.

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