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Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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können nicht in den nächsten Waffenladen in Tripoli gehen und sich ein kleines Arsenal zulegen. Leider habe auch ich meine Pistole am Flugplatz zurücklassen müssen und komme mir nackt und bloß vor. Wie kann ich helfen?«
    Der Schuhputzer war mit Ethan fertig. Als der den Blick senkte, schaute er zu seiner Überraschung in einen Spiegel. Er zahlte seinen Dinar und dankte dem Jungen mit einem seiner neuerworbenen arabischen Sätze. Der steckte die Münze ungerührt ein und machte sich über Gavrils Schuhe her.
    »Das ist etwas, das nur Sie tun können, Ethan. Ich weiß nicht, ob es funktioniert, aber wir haben keine andere Wahl.
    Ich kenne ein kleines Büro im Suq al-Mushir. Dort arbeiten drei Ihrer Landsleute, zwei sehr junge um die neunzehn und ein älterer Mann etwa in Ihrem Alter. Sie sind für eine Wohltätigkeitsorganisation tätig, die in Großbritannien registriert ist. Sie nennt sich
We Are Palestine
(WAP) und hat die offizielle Aufgabe, Geld für verschiedene Bauprojekte in Gaza und im Westjordanland zu sammeln und zu verteilen. Tatsächlich gelangt nur ein kleiner Teil des Geldes, das bei ihnen zusammenläuft, dorthin, zumindest nicht in Form von Baumaterial.
    We Are Palestine
ist eine Vorfeldorganisation der Hamas, die sich in Wirklichkeit damit befasst, Waffen zu kaufen und über die ägyptische Grenze in den Gazastreifen sowie auf Umwegen ins Westjordanland zu schmuggeln. Die ägyptische Grenzpolizei kümmert nicht, was da läuft, und Gaza wird von der Hamas kontrolliert. Sie haben es also nicht schwer, ihre Sendungen durchzubekommen.«
    Der Schuhputzer war fertig und hielt die Hand auf. Gavril lächelte und gab ihm das Doppelte. Der Boy lächelte zurück und zog weiter, um neue Kunden zu suchen.
    »Ich bin ein Gottesmann«, sagte Gavril, »zumindest wird das von mir erwartet. Und doch sitze ich hier und rede über Waffen, während das arme Kind meine Schuhe putzt, um etwas zu essen zu bekommen.«
    »Wieso kennen Sie sich mit diesen Dingen so gut aus?«, fragte Ethan. Der Tee hatte ihn von innen erwärmt. Sie saßen zwar an der Mittelmeerküste, aber es war empfindlich kalt.
    »Diese Aktion habe ich seit Jahren vorbereitet«, antwortete Gavril. »Wir wissen seit langem, dass wir für die Auseinandersetzung mit Aehrenthal Waffen benötigen. Daher haben wir in verschiedenen Teilen des Nahen Ostens undNordafrikas unsere Vorkehrungen getroffen. Ich möchte, dass Sie in das WAP-Büro gehen und denen eine ordentliche Geldsumme bieten. Wir haben für Sie eine Legende vorbereitet. Sie sagen denen, sie könnten künftig noch wesentlich mehr Geld verdienen, Sie brauchten die Waffen aber sofort, weil Sie ein israelisches Ziel in Südägypten angreifen wollen.«
    »Und Sie denken, die rücken dann sofort mit den Waffen rüber?«
    Gavril goss frischen Tee in sein Glas und trank es in einem Zug aus. Die Gäste von gegenüber waren zu der kleinen Moschee aufgebrochen.
    »Sie haben die Taschen voll Geld. Es gibt Dinge, die verschwinden nie aus dieser Welt. Habgier ist eines davon. Ob die Leute nun die Palästinenser wirklich mögen oder sich am Rande linker Aktivitäten eingerichtet haben, das Geld wird sie in Bewegung bringen. Hier gehen so viele Waffen von Hand zu Hand, dass es für die kein Problem sein dürfte, ein paar davon für Sie abzuzweigen.«
     
    Das WAP-Büro bestand aus zwei schmuddligen Räumen im Hinterhaus eines Gebäudes voller Fliegen, das aus der Türkenzeit stammte. Es klebte wie ein Gespenst am Ende einer langen Gasse mit festgeschlossenen Türen auf beiden Seiten. Seine schmiedeeisernen Fenstergitter und kunstvoll geschnitzte Tür hatten bessere Tage gesehen. Unter der Karamanli-Dynastie hatte sich dort die größte Koranschule befunden, im Osmanischen Reich war es ein Bordell mit europäischen Frauen gewesen, die Barbarossa-Piraten an diese Küsten entführt hatten, während der italienischen Besatzung hatte man ein Übergangsquartier für sizilianische Bauern an der
quarta sponda,
Italiens Vierter Küste,daraus gemacht. Unter Ghaddafis Jamahiriya diente es als Gewerkschaftsbüro.
    Über der Tür hing ein Schild mit dem schlecht geschriebenen arabischen Namen
Nahnu Filastin
. Mit einem Filzstift hatte jemand darunter die lateinischen Buchstaben WAP hinzugefügt.
    Ethan pochte kräftig an die Tür. Die drinnen sollten glauben, er sei selbstsicher genug, um unangemeldet zu erscheinen. Tatsächlich hatte er sich selten so ungeschützt gefühlt. Er musste an die Zeit denken, als er noch als

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