Die zweite Nacht
setzen.«
Völlig selbstlos bot ich ihm meinen Schreibtischstuhl an und war froh, dass ich offensichtlich wieder die Oberhand hatte.
Doch Frederik erholte sich viel zu schnell. Er strich zwar gebannt über das Cover, fragte dabei aber gelassen: »So, und wie stellst du dir das nun morgen vor?«
»Was?« Entgeistert sah ich ihn an. Für meinen Geschmack war das zu wenig Bewunderung für meine Person gewesen.
»Du willst, dass ich dich begleite und ich sitze am längeren Hebel. Was wird Elena wohl mit dir machen, wenn du morgen ohne mich auftauchst? Außerdem hat sie mich gesehen, du kannst also nicht einfach irgendeinen Mann von der Straße auflesen, becircen und als deine Begleitung ausgeben.«
Zugegebenermaßen war ich geschmeichelt, dass er mir zutraute, einen wildfremden Mann so um den Finger zu wickeln, gleichzeitig ärgerten seine Worte mich – denn offensichtlich war ich nicht einmal in der Lage, ihn unter Kontrolle zu halten.
Er blätterte bereits in dem Buch und las konzentriert die erste Seite.
»Hey, ich rede mit dir«, rief ich aufgebracht und schnipste mit den Fingern. In meiner Vorstellung war er ehrfürchtig auf die Knie gesunken, nachdem ich ihm mein Buch überreicht hatte, mit dem Schwur auf den Lippen, ab sofort alles zu tun, was ich wollte.
»Ach ja, richtig. Wie gesagt, du bist in der schwächeren Verhandlungsposition«, verkündete er fast schon gelangweilt.
Das durfte einfach nicht sein, von Dankbarkeit war sein Verhalten ja wohl meilenweit entfernt. »Wenn du mich nicht begleitest, verrate ich dir, wer der Mörder ist!«
Frederik lachte. »Du solltest im Wörterbuch nachschlagen, was man unter einem guten Angebot versteht.«
»Was willst du?«, fragte ich verzweifelt und warf die Hände in die Luft.
»Was machst du morgen?«, wollte er jetzt wissen und ich war komplett verwirrt.
»Arbeiten, wie immer. Bücher schreiben sich nicht von alleine«, schnappte ich zurück.
»Falsche Antwort.« Mit einem zufriedenen Grinsen und meinem Buch in der Hand stand Frederik auf.
Eine merkwürdige Nervosität breitete sich in mir aus. »Wo willst du hin?« Sofort fragte ich mich, ob ich nur halb so hysterisch klang, wie ich mich fühlte.
»In meine Wohnung und lesen.«
»Aber was ist mit morgen?« Ich folgte ihm und stellte mich kurzentschlossen vor die Wohnungstür. Er konnte sich abschminken, hier raus zu kommen, ohne mir geantwortet zu haben.
»Ach ja, morgen. Ich weiß nicht, Partys sind nicht so mein Ding.«
Für einen Moment glaubte ich, dass mein Kopf platzen würde. »Schön. Ich kapituliere. Was willst du? Ich werde alles tun.« In diesem Augenblick fing ich inständig an, zu beten, dass er keinen merkwürdigen Fußfetisch hatte; meine Formulierung war doch sehr offen gewesen.
Das Lächeln, das sich langsam und bedrohlich auf seinem Gesicht ausbreitete, gefiel mir ganz und gar nicht. Es wirkte so bedeutungsvoll. Sicherlich war ich längst kreidebleich, so lange spannte er mich auf die Folter.
»Entweder du verbringst den morgigen Tag mit mir oder ich komme nicht mit zu der Party.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah auf mich hinunter.
»Was?« Hätte ich nicht bereits mit dem Rücken zur Tür gestanden, wäre ich vor ihm zurückgewichen. »Das kannst du nicht ernst meinen. Ich muss arbeiten.«
Seine hochgezogene Augenbraue versicherte mir, dass er mir kein Wort meiner billigen Ausrede abnahm. »Du solltest lieber nett zu mir sein.« Er betonte »nett« besonders und schenkte mir einen gewichtigen Blick.
»Das ist Erpressung«, stieß ich aufgebracht hervor.
»Das Thema hatten wir gerade schon. Nenn es, wie du willst – du wirst es überleben. Ich hole dich um zehn Uhr ab.« Er beugte sich vor, presste mir einen Kuss auf die Lippen und schob mich einfach zur Seite. Fassungslos beobachtete ich, wie er durch die geöffnete Tür schlüpfte und in seiner Wohnung verschwand.
Empört warf ich die Tür zu. Da enthüllte ich ihm schon, dass ich eine berühmte Autorin war und er war nicht einmal beeindruckt. Sollte sein doofer Kater ihm doch das Bett wärmen!
Erschöpft wälzte ich mich auf die andere Seite. Egal, wie fest ich die Augen zusammenpresste, der Schlaf wollte einfach nicht kommen. Diese unfassbare Nervensäge! Ich war mir nicht einmal sicher, wen ich überhaupt damit meinte. Zuallererst wollte ich Daniel ganz langsam und genüsslich erwürgen, dann würde ich Elena in einem flachen Grab im Wald verscharren und mich selbst würde ich vermutlich
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