Die zweite Nacht
Gesicht, du doofer Eremit.« Damit drehte sie sich schwungvoll nach vorne und stolzierte davon. Zuerst sah ich ihr verblüfft hinterher, dann musste ich grinsen. Ich mochte Daniels Freundin wirklich.
Als sie mit Elena in einer Parfümerie verschwand, eilte ich zum nächsten Coffeeshop und besorgte frischen Kaffee. Zumindest für Mo und mich, Elena bevorzugte aus einem unerfindlichen Grund Tee – doch ich weigerte mich schlicht, mich lächerlich zu machen, indem ich zwei extra starke Kaffee und einen Tee bestellte. Wenn Elena Wasser mit Geschmack wollte, sollte sie sich es gefälligst selbst besorgen. Stattdessen kaufte ich ihr eine Zimtschnecke.
Geduldig wartete ich vor dem Laden, bis die beiden mit ihren kleinen Tüten heraus spaziert kamen. Wortlos drückte ich Elena das Gebäck in die Hand, bevor ich vor Mo eine Verbeugung andeutete und ihr den Kaffeebecher hin hielt. »Extra stark mit einem zweiten Shot Espresso, aber nicht so stark wie das Zeug, das Daniel trinkt. Frieden?«
Mo musterte mich aus zusammengekniffenen Augen und ich zog übertrieben die Mundwinkel hoch, bis ich sicherlich aussah, als wäre ich aus einer schlecht gesicherten Irrenanstalt geflohen. Sie nickte knapp und schnappte sich dann den Kaffeebecher. »In Ordnung, Frieden.«
Elena knabberte bereits zufrieden an ihrer Zimtschnecke und fragte zwischen zwei Bissen: »Ich nehme an, es gab keinen Tee?«
Trocken schüttelte ich den Kopf. »War leider aus.«
Mo bekam sich vor lauter Lachen nicht wieder ein.
Stunden später ließ ich mich erschöpft auf die Bank in der Eingangshalle der Kosmetikerin sinken. Elena hatte mit ihrem Frauentag Ernst gemacht und uns eine gefühlte Ewigkeit durch das Einkaufszentrum gescheucht.
Nachdem ich meine gewünschte Unterwäsche gekauft hatte, war ich eigentlich mit der Ausbeute zufrieden und hätte den Rest des Tages gern mit Fantasien darüber verbracht, was für ein Gesicht Frederik wohl zog, wenn er mich in der Unterwäsche sah.
Stattdessen hatte der Freizeit-Feldwebel Elena mich genötigt, Schuhe, Hosen, Oberteile und Bikinis anzuprobieren. Schlussendlich hatte ich viel mehr gekauft, als ich eigentlich geplant hatte.
Mo ließ sich neben mich auf die Bank fallen – und das nicht gerade elegant. »Ich kann nicht mehr«, japste sie.
»Willkommen in meiner Welt«, brummte ich und grinste schief.
»Wir werden nie mehr nach Hause kommen«, verkündete sie mit Grabesstimme.
»Sobald ich auf der Massageliege liege, werde ich sofort einschlafen«, raunte ich ihr zu. Elena redete derweil hektisch auf die arme Rezeptionistin ein.
Mo schüttelte den Kopf. »Wie macht sie das? Sie trinkt nur Tee und hat mehr Energie als du und Daniel zusammen.«
Ich rümpfte die Nase. »Pah, mein Bruder? Die Schlafmütze!«
Mos Wangen färbten sich zartrosa. »Also, ich formuliere es mal so: Viel Schlaf braucht er jetzt nicht unbedingt.«
Angewidert verzog ich das Gesicht. »Danke, keine weiteren Details mehr. Elena war schon als Kind so. Daniel und ich waren auf der Couch vor dem Fernseher absolut glücklich, Elena durfte man keine zwei Sekunden aus den Augen lassen.«
Mo schüttelte den Kopf und duckte sich tatsächlich, als meine Schwester sich vor uns aufbaute. »Ihr werdet ja wohl nicht schon schlapp machen? Wir haben noch viel vor uns!«
Mos Augen wurden groß und sie sah mich panisch an. Ich lachte. »Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es hier nach noch in eine Cocktailbar und Stephan kommt uns abholen.«
Elena nickte zufrieden und Mo sagte erleichtert: »Okay, beim Cocktailtrinken kann ich sitzen, das schaffe ich noch.«
Natürlich hatte Elena die Kosmetikerin so weit eingeschüchtert, dass der Tag nach ihrer Vorstellung durchgetaktet stattfand. Nachdem wir eine ausgiebige Gesichtsbehandlung über uns hatten ergehen lassen, erhörte endlich jemand Mos und meine Gebete und wir bekamen die gewünschte Massage.
Während Heidi – so hatte sie sich vorgestellt – sich an meinen verspannten Armen und Schultern zu schaffen machte, dachte ich darüber nach, dass ich mich unbedingt öfter massieren lassen sollte, wenn ich schon immer zusammengekrümmt vor meinem Computer hockte.
Über diesem Gedanken schlief ich völlig erschöpft ein.
Elena weckte mich, indem sie ungeduldig mit ihrer Schuhspitze auf den Boden klopfte. »Du bist noch nicht einmal angezogen?« Dazu rümpfte sie die Nase.
Ich rieb mir verschlafen die Augen und war froh, dass Heidi mich hatte schlafen lassen. Wer wusste schon, wann Elena
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