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Die zweite Nacht

Die zweite Nacht

Titel: Die zweite Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Rabengut
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gewesen.  
    Die Sonne stand recht tief am Himmel und blendete ein wenig. Trotz der frischen Temperaturen waren viele Leute im Park unterwegs. Auch den einen oder anderen Läufer konnte ich ausmachen. Die Frau gab mir weiter meine Statistiken durch und ich stellte fest, dass ich vor lauter schwerwiegender Gedanken langsamer lief als sonst.  
    Also konzentrierte ich mich auf das Laufen und versuchte, so gleichmäßig wie möglich zu atmen. Dann erregte ein Läuferpaar meine Aufmerksamkeit. Die bunte Jacke des Größeren kam mir doch reichlich bekannt vor. Meine Augen glitten nach unten – was für ein Zufall: Die Schuhe kannte ich auch.
    Das war ja die Höhe! Frederik ging nicht mit mir, sondern mit jemand anderem laufen. Ich war sofort beleidigt und legte einen Zahn zu. Das wollte ich mir aus der Nähe ansehen. Je näher ich kam, desto aufgeregter wurde ich. Zumindest bis ich beruhigt feststellte, dass es sich bei dem zweiten Läufer auch um einen Mann handelte.  
    Die beiden trabten in einem gemütlichen Tempo vor mir her und ich konnte sehen, dass sie sich angeregt unterhielten. Ich musste tatsächlich sehr viel langsamer werden, um sie nicht zu überholen. Du meine Güte, die beiden konnten einem Seniorenlaufverein beitreten!
    Ich zerrte die Kopfhörer aus meinen Ohren und erkannte die zweite Stimme auf Anhieb, weil sie meinem Bruder gehörte. Fassungslos umrundete ich die beiden und blieb vor ihnen stehen, die Arme stilecht in die Hüften gestützt. Dazu rümpfte ich die Nase. Badehosen! Die beiden Männer schlichen im Zeitlupentempo durch den Park und redeten über Badehosen – war das zu glauben? Und ich musste meine Runde alleine drehen.
    Sich keiner Schuld bewusst grinsten sie mich an. »Hi!«
    Frederik beugte sich vor und wollte mir einen Kuss geben, doch ich drehte mit einem verächtlichen Geräusch den Kopf weg.  
    »Nur zu deiner Information. Ich habe gerade ganz verzweifelt und einsam an deiner Tür geklopft, weil ich mit dir laufen wollte«, rief ich anklagend und mein Bruder gab sich nicht einmal die Mühe, sein Grinsen zu unterdrücken.
    »Ach? Interessant. Ich habe dich heute Morgen gefragt, ob du laufen gehen willst«, stellte Frederik belustigt fest und tauschte einen Blick mit Daniel.
    Empört schnipste ich mit den Fingern vor seiner Nase. »Das stimmt doch überhaupt nicht!«
    »Klar! Zugegeben: Ich bin vermutlich selbst Schuld, denn immerhin war dein Computer an und du hast kaum vom Bildschirm aufgesehen.« Wieder sah er zu meinem Bruder.
    »So ein Unsinn!«, protestierte ich aufgebracht.
    »Doch, es ist die Wahrheit«, widersprach mein Freund mir. »Ich habe mit dir gesprochen und du hast diese Handbewegung gemacht.«
    »Was für eine Handbewegung?«, wollte ich wissen und spürte, wie sich Falten auf meiner Stirn bildeten.
    »Oh, warte. Die kenne ich!« Mein Bruder wedelte mit seinem Arm, als würde er einen Schwarm Mücken vertreiben wollen.
    »Das mache ich nicht«, behauptete ich und verschränkte die Arme. Langsam wurde es mir nämlich zu bunt.
    »Doch, hast du. Ich war dabei«, sagte Daniel jetzt und grinste breit dabei.
    »Wie bitte? Daran könnte ich mich ja wohl erinnern!« Meine Stimme klang fest, aber wirklich sicher war ich mir nicht. Wenn ich arbeitete, neigte ich durchaus dazu, unaufmerksam zu sein. Doch es wäre mir sicherlich aufgefallen, wenn mein Freund und mein Bruder zur gleichen Zeit vor meinem Schreibtisch gestanden hätten. Oder? Ein Hauch von Unwohlsein wogte in mir auf.
    Dann sah ich das verschwörerische Blinzeln, das die beiden tauschten und rief triumphierend: »Ha! Ich wusste es, ihr versucht nur, mich zu ärgern.«
    Ernst sah Frederik mich an. »Bist du dir da sicher?«
    Schnell nickte ich und versuchte dabei, nicht allzu schuldbewusst auszusehen.
    »Wie sicher bist du dir denn?«, hakte mein blöder Bruder nach und ich überschlug im Kopf die Prozentzahlen.
    Mit hängenden Schultern gab ich schließlich zu: »So ungefähr vierzig Prozent?«
    »Das heißt«, analysierte Daniel knapp, »dass es so passiert sein könnte, wie Frederik und ich sagen – weil du das Gegenteil nicht beweisen kannst.«
    Aus schmalen Augen funkelte ich die beiden an. Sie besaßen tatsächlich noch die Frechheit, einen High Five auszutauschen. Ich versuchte das Beste daraus zu machen: Die beiden verstanden sich. Das war doch immerhin etwas.
    Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass niemand mich beachtete und ich keine Omas oder Kinder schockieren konnte, zeigte ich Frederik und Daniel

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