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Die zweite Nacht

Die zweite Nacht

Titel: Die zweite Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Rabengut
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wären nett.«
    Bertram strich sich nachdenklich über das Kinn. »Nach dem Essen. Klöße werden so schnell kalt.«
    Fassungslos sah ich zu, wie Frederiks älterer Bruder begann, seine Klöße in exakt gleich große Stücke zu zerteilen und diese allesamt mit der gleichen Menge an Sauce begoss. Frederiks Miene drückte aus, dass er mich in aller Deutlichkeit vorgewarnt hatte.
    Es folgte das vermutlich merkwürdigste Familienessen, an dem ich jemals teilgenommen hatte. Frederik unterhielt sich mit mir, als wäre sein Bruder nicht anwesend. Als ich versuchte, Bertram irgendwie mit in das Gespräch einzubeziehen, erläuterte Frederik mir schlicht, dass sein Bruder beim Essen nicht redete. Dafür lauschte er allerdings interessiert unserem Geplänkel und sah wie beim Tennis zwischen uns hin und her. Mir blieb nichts anderes übrig, als mit dem Kopf zu schütteln.
    Nach dem Essen fragte Frederik: »Kaffee?«
    Ich nickte und Bertram sagte: »Wie immer.«
    »Was bedeutet das?«  
    Obwohl ich Bertram ansah, antwortete Frederik: »Eine halbe Tasse Kaffee, einen Teelöffel Zucker, einen Esslöffel Milch und zwar genau in dieser Reihenfolge.«
    Ich wollte fragen, aber ich ahnte schon, dass das kein Scherz war. Bertram stand auf, nahm die schwarze Tasche, die er mitgebracht hatte, und hockte sich auf die Couch – aber erst, nachdem er die Kissen sorgfältig aufgeschüttelt und ausgerichtet hatte. Der Mann machte mich wirklich fertig.
    Er öffnete den Reißverschluss der Tasche und zog einen Laptop hervor. Mich wunderte, dass er sich vorher keinen Hut aus Alufolie aufgesetzt hatte, ich verkniff mir diesen Kommentar allerdings wohlweislich.  
    Bertram klappte den Laptop auf und dann flogen seine Finger über die Tastatur. Beeindruckt starrte ich ihn an. Ich wusste wirklich, dass ich schnell tippen konnte, aber Bertram hätte einen Roman sicherlich in einer Woche komplett fertig.  
    Er drehte den Bildschirm und zeigte mir einen Ordner mit meinem Namen. »Überprüfung.«
    »Warum hast du mich denn überprüft, mein Lieber?«
    Zum ersten Mal schien ich Bertram aus dem Konzept gebracht zu haben und er blinzelte zweimal ganz schnell. »Um Bescheid zu wissen.«
    »Du hättest mich einfach fragen können.«
    »Statisch gesehen ist es unwahrscheinlich, dass du die Wahrheit gesagt hättest.«
    Ich dachte kurz nach und nickte: »Auch wieder wahr.«
    Damit hatte der Gute offenbar nicht gerechnet, denn er reckte den Kopf und rief aufgebracht: »Frederik, du hast gesagt, sie sei nicht merkwürdig.«
    Mein Freund erschien in der Küchentür. »Wie du gerade so schön mit deiner Statistik belegt hast: Ich habe gelogen.«
    Leise lachte ich und Bertram betrachtete mich verwundert. Frederik reichte erst mir, dann seinem Bruder eine Kaffeetasse und fragte dann: »Was hat deine Überprüfung denn ergeben? Wird Helen uns eines Tages alle umbringen?«
    Bertram wägte seine Antwort ab. »Schwer zu sagen, bei einer Wahrscheinlichkeit von 32,7 Prozent kann alles passieren.« Mein Mund klappte auf und Frederik zwinkerte mir belustigt zu. Doch Bertram redete weiter: »Eine Heirat würde sich für dich lohnen, Helen hat mehr Geld als du und gibt verhältnismäßig wenig aus. Außerdem telefoniert sie im Schnitt nur 26 Minuten pro Monat. Statistisch gesehen wenig für eine Frau.«
    Vielleicht hätte ich mich aufregen sollen, aber ich fand irgendwie, dass ich bei dieser Überprüfung bisher ganz gut davongekommen war. »Von mir aus – aber woher weißt du von Ole?«
    Bertram lächelte jetzt sehr zufrieden und lehnte sich zu mir. Nicht weit, nur ein paar Zentimeter, sodass wir uns auf keinen Fall berührten und raunte: »Ich bin gut.«
    Weil ich beim besten Willen nicht hätte antworten können, ohne laut loszulachen, nickte ich nur stumm.  
    Wieder flogen seine Finger über die Tasten und der Bildschirm wurde kurz schwarz, bevor eine beeindruckende Animation erschien. Meine Bücher waren zu sehen, sie klappten auf, die Seiten wurden durchgeblättert und immer wieder schwebten Worte über das Display.
    Schließlich gipfelte das Ganze in einem komplizierten Diagramm mit unzähligen Spalten. Bertram erläuterte: »Ich habe deine Bücher analysiert und dabei eine deutliche Übereinstimmung mit der Wortwahl in diesem Buch festgestellt. Das erschien mir statistisch gesehen doch sehr unwahrscheinlich.«
    Für mich stand fest, dass ich laut schreien würde, sollte ich heute noch einmal das Wort »statistisch« hören.
    Frederik betrachtete seinen Bruder jetzt

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