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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Gedanken von der Erde wegzubekommen, weg von Karen. Und letzte Nacht hatte ich keinen Alptraum, zum erstenmal seit einer Woche. Statt dessen habe ich vom Nullraum-Strudel geträumt. Der tobende, stumme Sturm.
     
    1. August
    Die Alpträume sind zurückgekehrt. Jetzt nicht mehr ausschließlich Karen. Auch ältere Erinnerungen. Unendlich weniger bedeutungsvoll, aber doch schmerzhaft. All die dummen Dinge, die ich gesagt habe, all die Mädchen, denen ich nie begegnet bin, all die Dinge, die ich nie getan habe.
    Schlimm. Schlimm. Ich muß mich immer wieder daran erinnern. Es gibt ein neues Ich, ein Ich, das ich hier draußen aufgebaut hatte, sechs Millionen Meilen hinter Pluto. Geschaffen aus Stahl und Sternen und Nullraum, hart und zuversichtlich und selbstsicher. Und ohne Angst vor dem Leben.
    Die Vergangenheit liegt hinter mir. Aber sie tut noch weh.
     
    2. August
    Heute ein Schiff. Die Alpträume gehen weiter. Verdammt.
     
    3. August
    Kein Alptraum letzte Nacht. Das zweitemal, was das betrifft, daß ich leicht geruht habe, nachdem ich tagsüber das Loch für ein Ringschiff geöffnet habe. (Tag? Nacht? Unsinn hier draußen – aber ich schreibe noch immer so, als hätte das eine Bedeutung. Vier Jahre lang habe ich die Erde in mir nicht einmal berührt.) Vielleicht verscheucht der Strudel Karen. Aber ich habe Karen früher nie verscheuchen wollen. Außerdem – ich sollte keine Krücken benötigen.
     
    13. August
    Vor ein paar Nächten kam ein anderes Schiff. Danach kein Traum.
    Ein Muster!
    Ich bekämpfe die Erinnerungen. Wenn ich an die Erde denke, denke ich an andere Dinge. Die guten Tage. Es hat eine Menge davon gegeben, wirklich, und es wird noch eine Menge mehr geben, wenn ich zurück bin. Dafür werde ich sorgen.
    Diese Alpträume sind idiotisch. Ich werde nicht zulassen, daß sie weitergehen. Da hat es so vieles gegeben, was ich mit Karen geteilt habe, so vieles, an das ich mich gern erinnern würde. Warum kann ich es nicht?
     
    18. August
    Die Charon ist etwa einen Monat entfernt. Ich wüßte gern, wer mein Nachfolger ist. Ich wüßte gern, was ihn hier herausgetrieben hat.
    Die Erdträume gehen weiter. Nein. Nennen wir sie Karen-Träume.
    Habe ich jetzt sogar Angst, ihren Namen zu schreiben?
     
    20. August
    Ein Schiff heute. Nachdem es hindurch war, bin ich draußen geblieben und habe mir die Sterne angesehen. Mehrere Stunden lang, wie es scheint. Schien mir mittendrin nicht so lang zu sein.
    Es ist schön hier draußen. Einsam, ja. Aber solch eine Einsamkeit! Man ist allein mit dem Universum, die Sterne breiten sich einem zu Füßen aus und sind einem rings um den Kopf herum verstreut.
    Jeder ist eine Sonne. Aber sie kommen mir noch immer kalt vor. Ich merke, wie ich fröstle, verloren in der Weite all dessen, und wie ich mich fragte, wie es dorthin kam und was es bedeutet.
    Meine Ablösung, wer immer es auch ist, kann dies hoffentlich so würdigen, wie es gewürdigt werden sollte. Es gibt so viele, die es nicht würdigen können oder nicht wollen. Menschen, die nachts Spazierengehen und nie zum Himmel hinaufsehen. Ich hoffe, mein Nachfolger ist kein solcher Mensch.
     
    24. August
    Wenn ich wieder auf der Erde bin, werde ich Karen aufsuchen. Ich muß. Wie kann ich vorgeben, daß die Dinge diesmal anders sein werden, wenn ich nicht einmal den Mut aufbringen kann, das zu tun? Und sie werden anders sein. Deshalb muß ich Karen gegenübertreten und beweisen, daß ich mich geändert habe.
     
    25. August
    Dieser Unsinn von gestern. Wie könnte ich Karen gegenübertreten? Was würde ich zu ihr sagen? Ich würde nur wieder damit anfangen, mich selbst zu täuschen, und es würde damit enden, wieder völlig ausgebrannt zu sein. Nein. Ich darf Karen nicht sehen. Zur Hölle, ich kann sogar die Träume packen.
     
    30. August
    Ich bin in letzter Zeit regelmäßig in den Kontrollraum hinuntergegangen und habe mich hinauskatapultiert. Keine Ringschiffe. Aber ich finde, daß das Hinausgehen die Erinnerungen an die Erde verblassen läßt.
    Ich weiß immer genauer, daß ich Cerberus vermissen werde. In einem Jahr werde ich wieder auf der Erde sein, zum Nachthimmel hinaufstarren und mich daran erinnern, wie der Ring silbern im Sternenlicht geschimmert hat. Ich weiß, daß ich das werde.
    Und der Strudel. Ich werde mich an den Strudel erinnern und daran, wie die Farben wirbelten und sich vereinten. Jedesmal anders.
    Zu schade, daß ich noch nie ein Holo-Fan war. Man könnte zu Hause, auf der Erde, ein Vermögen mit einem

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