Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
sagte das eine Menge über den Betreffenden aus. Die Buchtitel verrieten noch mehr. Und wenn er überhaupt keine Bücher hatte, war das noch aufschlußreicher.
    Wenn schon das Vorhandensein oder Fehlen einer Privatbibliothek einen Schlüssel zur Persönlichkeit eines Menschen darstellte, so war Delaney aufrichtig davon überzeugt, konnte man sich auf Grund von Bildern, Teppichen, Aschenbechern ein womöglich noch besseres Bild von einem Menschen machen - davon war Delaney überzeugt. Und wenn all diese Dinge von der Frau oder einem Innenarchitekten ausgesucht worden waren, verriet auch das eine Menge.
    Noch mehr als für Bilder, Aschenbecher und Bücher interessierte Delaney sich für die Atmosphäre, in der ein Mensch hauste. War sie kalt und künstlich oder warm und fröhlich? War sie so chaotisch wie der Geist des Bewohners oder so heiter wie seine Seele? Der Chief hörte nie auf, sich darüber zu wundern, wie viele Verbrecher in Hotels, möblierten Zimmern und Motels lebten; ihr wurzelloses Dasein spiegelte sich in der Zufälligkeit und Austauschbarkeit ihrer Umgebung. Wie die meisten Polizeibeamten kannte Delaney alte Berufsverbrecher, die in spartanisch eingerichteten Kammern wohnten: Lagerstatt, Kommode und Stuhl. Und das nicht, weil sie sich nichts Besseres leisten konnten, sondern weil sie versuchten, um sich herum jene Gefängniskargheit zu reproduzieren, nach der sie sich letztlich sehnten und in die sie zuletzt unweigerlich zurückkehrten.
    Die Wohnung Saul Geltmans lag auf der Ostseite eines vielgeschossigen Apartmenthauses im siebzehnten Stock. Das Haus selbst bestand aus hellgrün glasierten Ziegeln, dazwischen lagen als breite Streifen große Panoramafenster. Die Eingangshalle war klein, gefliest und bis auf eine abstrakte Plastik aus rostfreiem Stahl ganz leer.
    Das Wohnzimmer der Geltmanschen Wohnung, so schätzte Delaney, maß mindestens sechs mal zwölf Meter. Die Ostwand bestand nur aus Fenstern und Glastüren, davor eine Terrasse von der Breite des Zimmers, jedoch nur halb so tief. Es gab außerdem zwei Schlafzimmer, zwei Bäder, eine Küche mit Eßplatz, dazwischen eine Theke mit Hirnholzplatte. Sämtliche Räume waren wohlproportioniert, luftig und heiter. Die Decke war höher als Delaney erwartet hatte; der Fußboden Parkett.
    Was den Chief jedoch völlig bezauberte, war die Art und Weise, wie diese lichte Wohnung eingerichtet war. Da standen in bunter Auswahl antike Kostbarkeiten, vorzugsweise französische Bauernmöbel aus hellem Kiefernholz. Eine Fülle schimmernder Gefäße aus Kupfer, Messing und Zinn. Ein zinkbeschlagener Eßtisch auf gußeisernen Füßen. Polierte Eichenkaryatiden trugen eine Konsole aus schwarzem Marmor. Alte persische und türkische Brücken auf dem Parkett. Die Möbelbezüge und Vorhangstoffe zeigten in harmonischem Kontrast Karomuster, Streifen und wollige Noppen in allen Regenbogenfarben.
    Und all das makellos und schimmernd, geradezu überwältigend in seiner Vollkommenheit. Fast hatte man den Eindruck, in der Modellwohnung eines großen Kaufhauses zu stehen. Delaney bemerkte auch sehr wohl die gewollte «elegante Nachlässigkeit», wie sie durch herumliegende Kunstzeitschriften auf dem niedrigen Teakholztisch mit der genarbten Platte hervorgerufen wurde, durch die kunstvolle Unordnung im Bücherregel, wo einige Bildbände aufrecht standen, andere lagen. Doch insgesamt war das Arrangement eine Augenweide, und der Chief fragte sich, ob Kunst ohne Künstlichkeit eigentlich denkbar sei.
    «Wunderschön», sagte er zu Saul Geltman, der ihm die Wohnung mit viel Stolz zeigte, ihm sagte, wie alt bestimmte Stücke waren (und nicht selten auch, wieviel sie gekostet hatten), ihn auf besonders amüsanten Nippes hinwies, ihn insbesondere auf einen Tisch aus dem 17. Jahrhundert aufmerksam machte, der sechs Geheimfächer besitzen sollte, wiewohl Geltman nur fünf hatte entdecken können, und auf zwei Buchstützen aus geschnitztem Walnußholz, die, zusammengefügt, einen alten Mann darstellten, der mit einer Ziege Unzucht trieb.
    «Nicht schlecht für einen armen Jungen aus der Essex Street, was?» Saul Geltman lachte. «Jetzt brauch ich nur noch dafür zu bezahlen.»
    «Sie haben die Wohnung selbst ausgestattet?» erkundigte Delaney sich.
    «Jedes einzelne Stück habe ich persönlich ausgesucht», sagte der kleine Kunsthändler stolz. «Jeden Stoff, jede Brücke, jeden Aschenbecher - alles. Ich bin immer noch nicht fertig. Wenn ich etwas entdecke, was mir besonders gefällt,

Weitere Kostenlose Bücher