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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Wildlederetui. Er musterte das Vorhängeschloß, wählte dann einen der Dietriche aus, einen langen, dünnen Nachschlüssel aus rostfreiem Stahl mit winzigem Bart. Den steckte er in das Schlüsselloch, probierte behutsam und starrte dabei zur Decke. Der Dietrich faßte. Langsam vollführte Boone mit dem Handgelenk eine Drehung. Mit leisem Knacken sprang das Schloß auf.
    «Sehr schön», sagte Delaney. «Und gleich auf Anhieb.»
    Boone lächelte und steckte die Dietriche weg. Er stieß die Tür auf. Sie traten ein und schlossen die Tür hinter sich.
    «Bleiben Sie hier stehen», befahl Delaney. «Sehen Sie sich genau um. Ist alles noch so, wie an dem Tag, als die Leiche gefunden wurde? Steht irgendwas woanders? Fehlt was? Lassen Sie sich Zeit.»
    Geduldig wartete er, während Boone das Innere des Ateliers in Augenschein nahm. Sonnenlicht flutete durch das Oberlicht. Eine der Scheiben war zerbrochen und mit einem blauen Lappen verstopft worden. Über dem Oberlicht war Maschendraht gespannt, doch kein Ventilator zu sehen. Es roch ausgesprochen muffig.
    Delaney warf einen Blick auf seine Uhr.
    «Gleich ist es halb elf. So muß er hier vor sechs Wochen ausgesehen haben. Sie sagen, es war ein heller, klarer Tag, also wird er wohl nicht das Licht angeknipst haben. Selbstverständlich steht die Sonne jetzt höher, aber mehr oder weniger müßte es so sein wie damals.»
    «Ich sehe nicht, daß etwas fehlt oder anders stünde», sagte Boone. «Ich habe das Gefühl, das Glas auf dem Spülstein stand näher am Ausguß als jetzt. Das wurde wohl nach dem Abnehmen der Fingerabdrücke etwas anders hingestellt. Und die Matratze auf der Liege ist abgeklopft worden. Alte Spermaflecken auf der Oberseite. Nichts Frisches. Sonst sieht es für mein Gefühl genauso aus.»
    «Waren die Fenster offen?»
    «Nein, Sir, die waren geschlossen, genauso wie jetzt.»
    «Das Radio an?»
    «Nein. Abgedreht. All das Zeugs da drüben, seine Farben und Pinsel und Leinwandrollen, das ganze Durcheinander, steht nicht mehr genauso da wie vorher, denn das haben wir alles durchsucht. Doch soweit ich weiß, wurde nichts weggenommen. Wir haben alles hiergelassen.»
    «Keine Bilder?»
    «Nein. Der Agent sagte, er habe gerade eine Serie vollendet gehabt und sie in die Galerie Geltman geschafft. Auf dem Boden liegen ein paar rohe Skizzen. Der Agent wollte sie mitnehmen, aber das haben wir nicht zugelassen. Er sagte, das könnten Maitlands letzte Arbeiten sein und sie gehörten zur Erbmasse.»
    Delaney ging hinüber zu dem mit Kreide auf den Boden gezeichneten Umriß und starrte darauf. Das Holz war ringsum von einem nachgedunkelten Braun, stellenweise fast schwarz.
    «Stimmt der Umriß ungefähr?» wandte er sich an Boone.
    «So ziemlich. Der rechte Arm war nicht ganz ausgestreckt, sondern am Ellbogen abgewinkelt. Und auch die Knie waren ein bißchen angezogen. Er ist mit dem Gesicht voran zu Boden gegangen und hat alle viere von sich gestreckt.»
    Delaney kniete neben dem rohen Umriß des toten Malers und starrte mit halbgeschlossenen Lidern hin.
    «Hat sein Gesicht direkt auf dem Boden gelegen?»
    «Vielleicht ein bißchen nach links gedreht, aber sonst nach unten.»
    «Wissen Sie, wo er sein Portemonnaie trug?»
    «Wir nahmen an, in der rechten Gesäßtasche. In der linken hatte er nämlich einen Kamm. Seine Frau und sein Agent bestätigten das.»
    Der Chief erhob sich und klopfte die Hosenbeine an den Knien ab.
    «Gerochen?» fragte er.
    «Und ob», sagte Boone. «Es war ein feuchtwarmes Wochenende.»
    «Nein, nein», sagte Delaney. «Ich meine, ob jemand auf die Knie gegangen ist und ihn beschnuppert hat.»
    Abner Boone war verwirrt.
    «Nicht, daß ich wüßte, Chief», sagte er. «Wozu?»
    «Ach …» machte Delaney unbestimmt. «Man weiß ja nie …»
    Er trat an den Spülstein, betrachtete das fleckige Becken und das Tropfbrett.
    «Ist der Abfluß untersucht worden?»
    «Klar. Der von der Badewanne auch. Und das Klo und der Wasserkasten.»
    Die altmodische Badewanne auf Klauenfüßen war mit einer weißemaillierten Abdeckung versehen. Delaney hob sie hoch, um darunter zu blicken, und kauerte sich dann hin, um unter die Wanne zu sehen.
    «Küchenschaben», berichtete er.
    «Davon wimmelt's hier nur so.» Boone nickte. «Überall. Ein Saubermann war er bestimmt nicht.»
    Delaney ging langsam in den vorderen Teil des Ateliers. Bei dem Podest unterm Oberlicht blieb er stehen.
    «Was ist denn das hier?» fragte er.
    «Der Agent sagte, ein Posierpodest. Darauf

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