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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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bei den Akten. Weiter war nichts. Keine Briefe, keine Rechnungen, nichts. Nur ein paar alte Klamotten in der Kommode. Seine Sachen hatte er ja in der Wohnung im Norden der Stadt. Nicht, daß uns das weitergeholfen hätte.»
    Sie legten das Vorhängeschloß wieder vor und stiegen schweren Schritts nach unten. Die Rothaarige steckte wieder den Kopf zur Tür heraus.
    «Na?» fragte sie.
    «Auf Wiedersehen, Madam», grüßte Edward X. Delaney höflich und lüftete den Homburg.
    Unten auf der Straße sagte Abner Boone: «Wenn die Steuerfritzen mißtrauisch werden, kann sie uns reinreißen.»
    «Nichts als Vermutungen», sagte Delaney achselzuckend. «Sie hat uns ja nicht wirklich im Atelier gesehen. Keine Angst; notfalls bügelt Thorsen das für uns aus.»
    Schweigend schlenderten sie zur Houston Street zurück. Boone ging um seinen Wagen herum und sah ihn sich genau an. Niemand hatte ihn berührt. Sie stiegen ein, und Delaney zündete sich eine Zigarre an. Boone fand im Handschuhfach ein Gummiband, das er über die Rolle mit den Skizzen streifte. Der Sergeant hatte in einem alten gelben Umschlag auch das Buch über Maitland mitgebracht. Delaney hielt es auf seinem Schoß, schlug es aber nicht auf.
    Schweigend saßen sie eine Weile nebeneinander; die Atmosphäre des Vertrauens zwischen ihnen wurde stärker. Boone zündete sich eine Zigarette an. Seine Finger waren gelbbraun vom Nikotin.
    «Ich versuche, weniger zu rauchen», erklärte er Delaney.
    «Und schaffen Sie's?»
    «Nein. Seit ich vom Alkohol runter bin, ist es noch schlimmer.»
    Der Chief nickte und lehnte den Kopf an die Nackenstütze. Durch die Windschutzscheibe starrte er auf einen Verkehrspolizisten, der auf der Houston Street mit seinem weißen Stock ein mittägliches Ballett aufführte.
    «Spielen wir das Ganze mal durch», sagte er verträumt, ohne Boone anzusehen. «Mal sehen, ob es hinkommt… Maitland trifft zufällig ein junges Mädchen, auf der Straße, in einer Bar, irgendwo. Vielleicht meint er, sie könnte ein gutes Modell abgeben - der Körper auf den Skizzen spricht dafür-, vielleicht geht es ihm auch bloß darum, sie aufs Kreuz zu legen. Jedenfalls erscheint sie am Freitagmorgen in seinem Atelier. Sie zieht sich aus. Er macht ein paar Skizzen von ihr. Ich weiß nicht, wie er die eingeschätzt hat; ich jedenfalls finde sie phantastisch. Bei der dritten Zeichnung bricht die Kohle. Das Ende, das er in der Hand hält, feuert er an die Wand. Vielleicht fuchst es ihn, daß es ausgerechnet jetzt bricht, vielleicht ist es aber auch bloß Übermut. Wer will das wissen? Er gibt der Kleinen was zu trinken, am Spülstein neben der Liege. Von ihr stammen die Teilfingerabdrücke auf dem Glas. Möglich, daß sie übers Honorar reden. Vielleicht bumst er sie, vielleicht auch nicht. Sie zieht ab. Er verschließt die Tür, geht mit der Flasche Whiskey in der Hand zurück zu der Kiste, sieht sich seine Skizzen an. Es klopft. Wer da? Jemand antwortet, eine Stimme, die er kennt. Er stellt die Flasche auf die Kiste, geht an die Tür, schließt auf. Die Tür öffnet sich. Der Besucher kommt rein. Maitland dreht sich um, wendet ihm den Rücken zu und entfernt sich von der Tür. Fini. Wie gefällt Ihnen das?»
    «Motiv?»
    «Himmelherrgott, Sergeant, ich hab nicht mal angefangen, mich damit zu beschäftigen. Ich versuche mir bloß auszumalen, was sich an diesem Freitagvormittag abgespielt hat. Den Tathergang. Wie hört sich das an?»
    «Möglich», sagte Boone. «Alles, was wir wissen, ist damit erklärt. Die beiden könnten ein, zwei Stunden rumgebumst haben. Der Mord selbst fand ja zwischen zehn und drei statt.»
    «Richtig.»
    «Nur läßt sich die Anwesenheit des Modells nicht zweifelsfrei beweisen. Die Skizzen könnten auch schon eine Woche vor Maitlands Tod entstanden sein. Keine Spur von Puder, keine Haarnadeln, keine Lippenstiftspuren am Glas. Nur eine Sicherheitsnadel.»
    Delaney fuhr in die Höhe, wandte den Kopf, starrte Boone an.
    «Eine was?» fragte er wütend.
    «Eine Sicherheitsnadel, Sir. Auf dem Boden in der Nähe der Liege. Stand davon nichts in den Akten?»
    «Nein, verdammt noch mal, davon steht nichts in den Akten.»
    «Hätte aber drinstehen müssen, Chief», sagte Boone leise. «Eine Sicherheitsnadel. Offen. Die Jungs vom Labor haben sie unter die Lupe genommen. Sie unterscheidet sich in nichts von Millionen anderen. Solche Sicherheitsnadeln werden in Tausenden von Läden verkauft.»
    «Wie lang war sie?»
    Boone hielt Daumen und Zeigefinger

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