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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Chinesen, die von der Canal Street immer weiter hier heraufziehen. Die Mulberry Street ist aber noch italienisch. Gute Restaurants.»
    «Ich erinnere mich», sagte Delaney. «Ich habe cannelloni gegessen, als wäre es meine letzte Mahlzeit.»
    Sie schlenderten hinüber zur Mott Street und wandten sich dann nach Süden. Der Chief sah zu den Mietshäusern aus roten Backsteinen hinauf.
    «So sehr verändert hat es sich gar nicht», sagte er. «Am ersten Tag, als ich hier Dienst machte, wurde ich von der Luftpost getroffen. Wissen Sie, was das ist?»
    «Klar», sagte Boone grinsend. «Fliegender Müll. Man wirft ihn einfach zum Fenster raus.»
    Als er grinste, trat das Jungenhafte, das Monica an ihm bemerkt hatte, deutlicher in Erscheinung. Er hatte richtige Pferdezähne, die gleichwohl das schmale, glatte Gesicht nicht entstellten. Seine wasserblauen Augen waren klein und sehr wach. Sein lockerer, federnder Gang wirkte neben Delaneys Spreizfußgeschiebe besonders jugendlich.
    Es war ein warmer, diesiger Maimorgen und es würde wohl sehr heiß werden. Über New Jersey drohte allerdings eine dunkle Wolkenbank; es roch nach Regen.
    «Wissen Sie, was für Wetter an jenem Freitag war?» fragte Delaney. «Damals, als Maitland starb?»
    «Hell und klar, allerdings gegen zehn Grad kälter als heute. Am Samstag hat es geregnet. Als wir am Sonntag herkamen, war der Himmel grau und bedeckt. Naßkalt.»
    An der Prince Street blieb Delaney stehen und blickte sich um.
    «Viel Verkehr», sagte er. «Überhaupt viel los hier.»
    «Das hat uns schwer zu schaffen gemacht», bestätigte Boone. «Hier herrscht eine solche Geschäftigkeit, daß kein Mensch etwas bemerkt hat. Vom Revier wurden spanisch sprechende Beamte von Tür zu Tür geschickt, um die Nachbarn auszufragen. Keiner hatte etwas zu sagen. Ich glaube auch nicht, daß man jemanden decken wollte; es hat wirklich keiner was bemerkt. Vermutlich war's ein Mann, der keine fünf Minuten brauchte, um reinzugehen und wieder zu verschwinden. Wem fällt denn so was schon auf?»
    «Keine Schreie? Kein dumpfer Laut, kein ungewöhnliches Geräusch, als Maitland hinschlug?»
    «In diesem Haus gibt es zehn Wohnungen. Alle Mieter waren entweder auf Arbeit oder beim Einkaufen, bis auf eine taube alte Frau im dritten Stock und einen Mann, der nachts arbeitet und tagsüber schläft im zweiten, und den Hausmeister und seine Frau im Souterrain. Keiner von ihnen hat was gesehen oder gehört. Sagen sie jedenfalls.»
    «Der Eingang ist nicht verschlossen?»
    «Eigentlich sollte er, ist aber so oft aufgebrochen worden, daß der Hausmeister es aufgab, das Schloß immer wieder zu reparieren. Jeder kann ins Treppenhaus.»
    «Wie oft wird hier in der Straße eingebrochen?»
    Boone kehrt die Handfläche nach oben.
    «Im Schnitt nicht mehr und nicht weniger als anderswo auch.»
    Sie überquerten die Prince Street, gingen gemächlich dahin, schauten sich um.
    «Warum hatte Maitland sein Atelier eigentlich hier?» überlegte Delaney laut. «Er hätte sich doch bestimmt was Besseres leisten können, oder? Geld hatte er schließlich.»
    «O ja, viel Geld sogar.» Bonne nickte. «Daran besteht nicht der geringste Zweifel. Er gab es allerdings genauso rasch aus, wie er es einnahm - behauptete jedenfalls seine Frau. Wir haben auch seinen Agenten gefragt, warum er ausgerechnet hier arbeitete. Die Antwort war nicht gerade logisch, aber doch wohl zutreffend, wenn man bedenkt, was für ein Mensch er war. Hier hat er gelebt und gearbeitet, als er nach New York kam und anfing zu malen. Hier hat er die ersten Bilder gemacht, die sich verkauften. Er war abergläubisch und meinte, das Haus bringe ihm Glück. Deshalb behielt er das Atelier bei, als er heiratete und eine Wohnung weiter oben in der Stadt bezog. Außerdem ist es ein bißchen abgelegen. Er war ja ein Einzelgänger. Er hatte was gegen den Rummel im Künstlerviertel, etwa in Greenwich Village. Es hat ihn richtig geärgert, daß die Kunstgalerien sich nach SoHo ausbreiteten und immer mehr Maler hinter Lafayette und südlich der Houston Street und sogar in der Bowery Dachgeschosse mit Oberlicht als Ateliers mieteten. Seinem Agenten gegenüber hat er geäußert, die Scheißkerle kreisten ihn ein, und wenn es noch schlimmer würde, müßte er sich ein Viertel suchen, das die Kunstficker noch nicht entdeckt hätten. Das ist Maitlands Ausdruck: ‹Kunstficker›. Hier ist das Haus, Chief.»
    Es war ein schmutzig aussehender roter Ziegelbau, der sich in nichts von den

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