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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ungeachtet der Tatsache, dass er mein und Harms nächster Nachbar war. Er wohnte im Tal hinter dem Hügel und züchtete Schweine. Ich sah ihn nur selten. Im Herbst machten wir manchmal einen Tauschhandel, ein Ferkel gegen ein paar Hühner oder Hilfe bei der Arbeit oder geräucherten Fisch. Baylor war ein kleiner Mann, mager, aber kräftig und unheilbar misstrauisch gegen alles und jeden. Er bedachte uns zur Begrüßung mit einem finsteren Blick. Dann, obwohl der Platz kaum reichte, hatte er nichts Besseres zu tun, als seinen Karren neben unseren zu zwängen. Mir war seine Gesellschaft alles andere als willkommen. Die Alte Macht verleiht eine empathische Wahrnehmung für andere Geschöpfe. Ich habe gelernt, mich dagegen abzuschirmen, leider nicht vollständig. Ich wusste, dass sein Ochse von dem schlecht sitzenden Geschirr wundgescheuert war und spürte die Panik und das Leiden der gefesselten und in der prallen Sonne schmachtenden Ferkel.
    Deshalb war es ebenso Selbstverteidigung wie Freundlichkeit von mir, ihn zu begrüßen. »Schön dich zu sehen, Baylor. Prächtige Ferkel. Wenn du ihnen Wasser gibst, damit sie lebhafter aussehen, könnten sie einen guten Preis bringen.«
    Er warf einen gleichgültigen Blick über die Schulter. »Wozu sie unruhig machen oder riskieren, dass sie ausreißen. Die hängen am Haken, bevor der Tag zu Ende ist.«
    Ich holte tief Atem und biss die Zähne zusammen. Die Alte Macht ist eher ein Fluch als ein Geschenk, denke ich manchmal. Vielleicht die ärgste Begleiterscheinung ist, so vollkommen wehrlos die beiläufige Brutalität mancher Menschen erleben zu müssen. Man spricht von der ›Bestialität‹ der Tiere. Ich ziehe diese jederzeit der Gedankenlosigkeit vieler Menschen Tieren gegenüber vor.
    Ich hätte unserem Gespräch gern an diesem Punkt ein Ende gemacht, doch er kam herüber, um unsere Waren zu inspizieren. Er stieß ein kurzes, abfälliges Knurren aus, als wundere ihn, wozu wir uns überhaupt die Mühe gemacht hatten, damit zum Markt zu kommen. Dann schaute er mich von unten herauf an und meinte gedehnt: »Das sind ordentliche Ferkel, aber es waren noch drei mehr in dem Wurf. Eins war größer als die hier.«
    Er verstummte, abwartend. Seine Augen hingen an meinem Gesicht. Ich wusste nicht, worauf er hinauswollte, deshalb rettete ich mich in eine unverbindliche Antwort. »Scheint ein stattlicher Wurf gewesen zu sein.«
    »War so. Bis die drei verschwunden sind.«
    »Bedauerlich.« Als er fortfuhr, mich anzustarren, fügte ich hinzu: »Sind wohl verloren gegangen, während sie mit der Alten draußen waren?«
    Er nickte. »An einem Tag waren es zehn. Am nächsten nur noch sieben.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Traurig.«
    Er trat einen Schritt näher an mich heran. »Du und der Junge, ihr habt sie nicht zufällig gesehen? Ich weiß, dass die Sau manchmal bis zu eurem Bach wandert.«
    »Leider nicht.« Ich wandte mich an Harm. Die Miene des Jungen war angespannt. Jinna und ihr Kunde waren verstummt; Baylors herausfordernder Tonfall hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Ich verabscheute es, der Mittelpunkt einer solchen Szene zu sein. Mein Blut geriet in Wallung, trotzdem zeigte ich mich gutwillig und fragte Harm: »Hast du Baylors drei Ferkel gesehen?«
    »Nicht einmal Spuren oder Dung«, antwortete er ernsthaft. Er hielt sich sehr still, als könnte eine unbedachte Bewegung Gewalttätigkeiten auslösen.
    Ich wandte mich wieder an Baylor. »Tut mir Leid.«
    »Tja«, meinte er schleppend, »das ist merkwürdig, nicht wahr? Ich weiß, du und dein Junge und dieser Köter von euch, ihr seid dauernd in den Hügeln oben unterwegs. Eigentlich sollte man meinen, ihr müsstet was gesehen haben.« Er sprach mit vielsagender Betonung. »Und wenn ihr sie gesehen hättet, hättet ihr gewusst, dass sie mir gehören. Ihr hättet gewusst, dass sie nicht herrenlos sind und man sie nicht einfach mitnehmen kann.« Er nahm den Blick nicht von meinem Gesicht.
    Ich zuckte die Achseln und bemühte mich, ruhig Blut zu bewahren. Immer mehr Leute ließen ihre Beschäftigung ruhen, um sich uns zuzuwenden. Baylors Augen flogen über die Zuschauer, kehrten zu mir zurück »Du bist sicher, du hast die Ferkel nicht gesehen? Nicht eins gefunden in der Klemme irgendwo oder verletzt? Tot vielleicht, und als Hundefutter genommen?«
    Jetzt schaute ich in die Runde. Harms Gesicht war rot angelaufen. Jinna schien sich äußerst unbehaglich zu fühlen. Mir kam die Galle hoch, dass dieser Kerl es wagte, mich des

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