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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ihr nach. Sie blickte nicht zurück. Trotz meines Herzschmerzes empfand ich nicht das Bedauern über ein Ende, sondern die Vorahnung eines Anfangs. Ein Schauder überlief mich, als stünde der Narr neben mir und flüsterte mir ins Ohr: »Spürst du es nicht? Ein Kreuzweg, ein Vertex, ein Scheitelpunkt. Von diesem Punkt an ändern sich alle Wege.«
    Ich drehte mich um, aber da war niemand. Ich schaute zum Himmel. Von Süden eilten schwarze Wolken heran, schon beugten sich die Wipfel der Bäume unter den ersten Windböen. Merle ritt mitten in ein gehöriges Unwetter hinein. Ich versicherte mir, dass ich keine Genugtuung deswegen empfand und machte mich auf die Suche nach Harm.

Kapitel 4 · Die Krudhexe
    Es wohnte dort aber eine Krudhexe, Silva Nesselschön mit Namen, deren Amulette solche Kraft hatten, dass ihre Wirkung nicht nur von Jahr zu Jahr andauerte, sondern ihre Besitzer über Generationen hinweg schützte. Es heißt, dass sie für Baldric Weitseher ein wunderbares Sieb machte, welches alle Flüssigkeiten läuterte, die hindurchliefen. Dieser Besitz war ein großer Segen für einen König, der ständig fürchtete, vergiftet zu werden.
    Über das Tor der ummauerten Stadt Eklse hängte sie ein Amulett gegen Pestilenz, und viele Jahre lang waren die Kornspeicher frei von Ratten und in den Ställen gab es weder Flöhe noch anderes Ungeziefer. Die Stadt blühte auf unter diesem Schutz, bis die Stadtoberen in großer Unvernunft ein zweites Tor in die Mauer brachen, um den Handel zu fördern. Dies öffnete einen Weg, auf dem die Pestilenz in die Stadt eindringen konnte und alle dort wurden von der zweiten Welle der Blutpest dahingerafft.
    SELKIN: REISEN IN DEN SECHS PROVINZEN
    Der Hochsommer fand Harm und mich, wie er uns schon in den vergangenen sieben Jahren gefunden hatte. Der Garten musste bestellt werden, die Hühner versorgt, es waren für den Winter Fische zu salzen und zu räuchern. Ein Tag folgte auf den anderen in einem Kreislauf aus Arbeit und Mahlzeiten, Schlafen und Wachen. Die Trennung von Merle schien wirkungsvoll die von Chade geweckte Rastlosigkeit erstickt zu haben. Harm gegenüber hatte ich beiläufig die Sache mit der Lehrstelle zur Sprache gebracht. Mit einer Begeisterung, die mich überraschte, berichtete er von einem Möbeltischler in Burgstadt, dessen Arbeit er sehr bewundert hatte. Ich wehrte ab, denn es hätte mich große Überwindung gekostet, mit ihm nach Burgstadt zu gehen. Vermutlich glaubte Harm, ich hätte nicht die Mittel, das hohe Lehrgeld aufzubringen, das ein Meister wie Gindast verlangen konnte. Ganz falsch war die Vermutung nicht. Als ich ihn fragte, ob ihm noch andere Zimmerleute aufgefallen waren, bei denen er sich vorstellen könnte zu lernen, antwortete er tapfer, es gäbe einen Bootsbauer in Hammerby, dessen Arbeit man loben hörte. Vielleicht konnten wir es dort versuchen. Das war ein erheblich bescheidenerer Lehrmeister als der Tischler in Burgstadt. Ich fragte mich innerlich seufzend, ob der Junge seine Träume nach dem Inhalt meiner Taschen ausrichtete. Eine Lehre war bestimmend für seinen ganzen Lebenslauf. Ich wollte nicht, dass mein Mangel an Bargeld ihn zu einem Handwerk verurteilte, das er nur notgedrungen ausübte.
    Doch ungeachtet des Interesses, das der Junge an den Tag legte, blieb die Lehre ein Thema für abendliche Gespräche am Kamin und wenig mehr. Nun, ich legte die kleine Geldreserve, die ich noch hatte, für den Zweck beiseite. Ich schlug dem Jungen vor, den gluckigen Hühnern einige Eier zum Brüten unterzulegen. Für Hühner gab es immer einen Markt, und was er dafür erlöste, konnte er für die Lehre sparen. Trotz allem fragte ich mich bang, ob es reichen würde, um ihm einen guten Platz zu kaufen. Willige Hände und ein starker Rücken konnten einem jungen Burschen eine Lehrstelle verschaffen, aber die Meister des gehobenen Handwerks verlangten gewöhnlich eine bestimmte Summe, bevor sie einen Lehrling in ihre Werkstatt nahmen. So war es Brauch in den Bocksmarken. Die Berufsgeheimnisse eines Mannes und das gute Auskommen, welches sie ihm sicherten, sollten nicht achtlos an Fremde weitergegeben werden. Eltern, die ihre Kinder liebten, lehrten sie entweder ihr eigenes Gewerbe oder zahlten gut, um sie bei Meistern unterzubringen, die sich in einem anderen Fach einen guten Ruf erworben hatten. Ungeachtet unserer bescheidenen Mittel war ich entschlossen, Harm eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Das war der Grund, sagte ich mir, weshalb ich die

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