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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Sache behilflich zu sein? Und was würde er als Gegenleistung verlangen? Ich war tief in Gedanken versunken, als Harms Rippenstoß mich unsanft in die Gegenwart zurückholte.
    »Tom!«, sagte er vorwurfsvoll. Ich begriff sofort, dass ich ihn in irgendeiner Weise in Verlegenheit gebracht hatte. Jinna schaute uns beide erwartungsvoll an.
    »Ja?«
    »Siehst du? Ich habe dir gesagt, dass er nichts dagegen hat«, jauchzte Harm.
    »Dann danke ich dir, solange es ganz bestimmt keine Umstände macht«, antwortete Jinna. »Es ist ein langer Weg, und die Herbergen liegen zum einen weit auseinander und sind zum anderen sehr teuer für jemanden wie mich.«
    Ich nickte zu ihren Worten und als die Unterhaltung weiterging, wurde mir klar, dass Harm ihr angeboten hatte, bei uns einzukehren, wenn sie das nächste Mal in unsere Gegend kam. Ich seufzte lautlos. Harm freute sich über die Abwechslung, die Gäste, selten wie sie waren, in unser Leben brachten. Ich hingegen betrachtete jeden Fremden als mögliche Gefahr. Ich fragte mich, wie lange ich wohl leben musste, bis meine Geheimnisse so alt waren, dass sie niemanden mehr interessierten.
    Ich lächelte und nickte, während sie schwatzten, trug aber sonst kaum etwas zu der Unterhaltung bei. Stattdessen studierte ich Jinna auf die Art, die Chade mich gelehrt hatte, doch nichts gab Anlass zu der Vermutung, sie könnte etwas anderes sein als die Krudhexe, die sie zu sein behauptete.
    Damit war sie für mich ein Rätselwesen. Krudhexen und -hexer trifft man auf jedem Markt, Jahrmarkt und Dorffest. Anders als die Gabe ist für die einfachen Leute Krudmagie nichts, dem man mit Ehrfurcht oder Angst begegnen muss. Anders als die Alte Macht ist sie kein Makel, für den man hingerichtet wird. Die meisten Menschen betrachten sie mit einer Mischung aus Duldung und Skepsis. Manche der Leute, die sich mit ihren Kräften brüsten, sind absolute und schamlose Scharlatane von der Sorte, die den Leichtgläubigen Eier aus den Ohren hervorzaubern, Milchmädchen Reichtum und vornehme Heirat prophezeien, Liebespülverchen aus Lavendel und Kamille verkaufen und Talismane aus Körperteilen von Kaninchen anpreisen. Ich hielt sie für harmlos.
    Jinna gehörte nicht zu dieser Kategorie. Sie versuchte weder, mit einem unaufhörlichen schmeichelnden Redeschwall die Vorübergehenden zum Kaufen zu bewegen, noch trug sie die bunten Schleier und falschen Juwelen, mit denen diese Betrüger sich schmücken. Sie war so schlicht gekleidet wie ein Waldläufer, in einen grünen Kittel über rehbraunen Hosen, dazu weiche Schuhe. Die Amulette, die sie ausgelegt hatte, steckten in den traditionellen Beutelchen aus farbigem Stoff: Rosa für Liebeszauber, Rot, um erkaltende Leidenschaft zu beflügeln, Grün für reiche Ernte und andere Farben, deren Bedeutung ich nicht kannte. Sie verkaufte auch Päckchen mit getrockneten Kräutern. Die meisten kannte ich, und sie waren korrekt beschriftet: Rotulmenrinde gegen Halsentzündung, Himbeerblätter gegen morgendliche Übelkeit und so weiter. Unter die Kräuter waren feine Kristalle gemischt, von denen Jinna behauptete, dass sie die Wirkung verstärkten. Ich vermutete Salz oder Zucker. In Tonschalen lagen polierte Scheiben aus Jade, Jaspis und Elfenbein, mit eingeschnittenen Runen für Glück oder Fruchtbarkeit oder Seelenfrieden. Diese kosteten weniger als die zusammengesetzten Amulette, denn es waren nur allgemeine gute Wünsche, obwohl der Käufer für einen zusätzlichen Heller oder zwei den Stein seinen Bedürfnissen entsprechend ›prägen‹ lassen konnte.
    Ihre Geschäfte gingen nicht schlecht. Mehrere Leute erkundigten sich nach den Amuletten im Beutel und wenigstens drei bezahlten mit blankem Silber. Falls den Dingen, die sie verkaufte, tatsächlich Magie innewohnte, war sie von einer Art, die ich weder mit der Gabe noch mit der Alten Macht erspüren konnte. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf eins der Amulette; es war ein kompliziertes Gebinde aus glitzernden Perlen und kleinen Holzstäbchen und, dachte ich, einem Federflaum. Sie verkaufte es einem Mann, der Glück für sich selbst und sein Heim wünschte, denn er hatte vor, auf Brautschau zu gehen. Er war untersetzt, muskulös wie ein Pflüger und unscheinbar wie ein Sodendach. Er schien in meinem Alter zu sein und ich wünschte ihm stumm Erfolg bei der Suche.
    Der Markttag war in vollem Gange, als Baylor eintraf. Er kam mit seinem Ochsenkarren und sechs schlachtreifen Ferkeln. Ich kannte den Mann nicht besonders gut,

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