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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Diebstahls zu bezichtigen, und sei es noch so verdeckt. Ich holte tief Atem und brachte es fertig, mich zu beherrschen. Mit gesenkter, schneidend höflicher Stimme erwiderte ich: »Ich habe deine Ferkel nicht gesehen, Baylor.«
    »Ganz sicher nicht?« Er rückte noch einen Schritt näher, offenbar hielt er meine Zurückhaltung für Zaghaftigkeit. »Weil es mir seltsam vorkommt, dass gleich drei verschwinden. Eins könnte sich der Wolf geholt haben, die Alte könnte eines verlieren, aber nicht drei auf einen Streich. Du hast sie wirklich nicht gesehen?«
    Ich hatte am Heckbrett des Wagens gelehnt, jetzt richtete ich mich zu voller Höhe auf und stellte die Füße auseinander, um im Fall des Falles festen Stand zu haben. Ungeachtet meines Ringens um Beherrschung, spürte ich, wie der Zorn mir Brust und Hals zusammenschnürte.
    In meinem früheren Leben, vor langer Zeit, hatte ich dulden müssen, dass man mich fast zu Tode prügelte. Man scheint auf solche Erfahrungen auf zweierlei Art zu reagieren. Entweder man zerbricht daran und wagt niemals wieder, die Hand gegen einen Beleidiger zu heben.
    So war es mir ergangen, eine Zeit lang, aber das Leben hatte mich gezwungen, dieses Verhalten zu ändern und eine neue Lektion zu lernen. Der Mann, der zuerst bereit ist, sich mit Gewalt durchzusetzen, ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Mann, der als letzter noch aufrecht steht. Ich hatte gelernt, dieser Mann zu sein. »Ich habe die Frage jetzt oft genug gehört«, warnte ich ihn knurrend.
    Inmitten des Markttreibens standen wir in einem Kreis der Stille. Nicht nur Jinna und ihr Kunde schwiegen, auch der Käser gegenüber starrte zu uns her und ein Bäckerbube mit einem Tablett voll frischer Ware war stehen geblieben und gaffte. Harm rührte sich nicht, seine Augen waren groß, das Gesicht weiß und rot gefleckt. Doch am deutlichsten war die Veränderung in Baylors Mienenspiel. Hätte ein Bär sich zähnefletschend aus dem Nichts vor ihm aufgerichtet, hätte er nicht erschrockener aussehen können. Er wich einen Schritt zurück, schaute erst zur Seite, dann zu Boden. »Gut, gut. Selbstverständlich, wenn du sagst, du hast sie nicht gesehen, dann …«
    »Ich habe sie nicht gesehen«, schnitt ich ihm mit Nachdruck das Wort ab. Die Geräusche des Marktes waren zu einem fernen Summen verschwommen. Ich sah nur Baylor. Er ging rückwärts, ich folgte ihm.
    »Nun …« Er huschte um den Ochsen herum, sodass sich das Tier zwischen uns befand. »Natürlich habe ich nicht angenommen, dass sie dir über den Weg gelaufen sind. Du hättest sie zurückgescheucht, zurück auf mein Land, keine Frage. Aber ich wollte dir Bescheid sagen. Seltsam, nicht wahr, dass drei auf einmal verschwinden, spurlos? Ich wollte, dass du gewarnt bist, falls plötzlich welche von deinen Hühnern fehlen.« Er senkte verschwörerisch die Stimme. »Wahrscheinlich haben sich welche mit der Alten Macht bei uns herumgetrieben und meine Tiere gestohlen, mit ihren schmutzigen Tricks. Sie brauchen ihnen nicht nachzulaufen, sie verhexen einfach die Sau und die Ferkel und machen sich mit ihnen davon. Jeder weiß, dass sie sowas tun können. Wahrscheinlich …«
    Mein Geduldsfaden war nahe daran zu reißen, aber ich hatte mich so weit in der Hand, dass ich mir mit Worten Luft machen konnte. Ich sprach ganz ruhig, machte nach jedem Wort eine kleine Pause. »Höchstwahrscheinlich sind deine Ferkel eine Böschung hinuntergefallen, in den Bach, und sind von der Strömung weggeschwemmt worden, oder sie haben das Muttertier verloren. Es gibt Füchse und Wildkatzen und Wölfe in den Hügeln. Wenn du Verluste vermeiden willst, musst du besser auf dein Vieh aufpassen.«
    »Mir ist in diesem Frühjahr eine Kuh abhanden gekommen«, meldete sich plötzlich der Käser zu Wort. »Die Kuh ist trächtig abgewandert und kam zwei Tage später wieder, leer wie ein hohles Fass.« Er schüttelte den Kopf. »Keine Spur von dem Kalb. Aber ich habe eine Stelle gefunden, wo jemand ein großes Feuer gemacht hat.«
    »Zwiehafte«, verkündete der Bäckerbube mit seiner hellen Stimme. »Vor ein paar Tagen haben sie drüben in Hardins Höft eine von denen geschnappt, aber sie ist entkommen. Kein Mensch weiß, wo sie ist. Oder wo sie gewesen ist!« Das Vergnügen an der Sensation leuchtete in seinen Augen.
    »Na, das erklärt einiges«, rief Baylor aus. Er schoss einen triumphierenden Blick in meine Richtung, aber mein Mienenspiel schien ihm nicht zu behagen, denn hastig wandte er sich wieder ab.

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