Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
bewegten uns in Wolfszeit, in der Zufriedenheit des Augenblicks, unbeschwert von dem was war und was sein könnte. Jener Abend bleibt für mich immer ein kostbarer Moment, den ich bewahre, golden und duftend wie Brandy in kristallenen Gläsern.
Mit einem Geschick, welches mir abgeht, brachte der Narr es zuwege, dass alle Gerichte gleichzeitig fertig waren, sodass der tiefbraune Kaffee dampfend neben dem Fisch und dem Gemüse stand, mit einem Stapel warmer Herdfladen unter einem sauberen Leinentuch. Wir setzten uns gemeinsam zu Tisch. Der Narr teilte dem Wolf eine Portion von dem zarten Fisch zu und Nachtauge verspeiste sie pflichtschuldig, obwohl er ihm roh und kalt lieber gewesen wäre. Die Hüttentür öffnete sich in eine sternenklare Nacht, und die Glückseligkeit einer Mahlzeit unter Freunden an einem angenehm lauen Sommerabend erfüllte das Haus bis unter das Dach und quoll über.
Wir stellten das schmutzige Geschirr zusammen und gingen mit einem zweiten Becher Kaffee nach draußen auf die Veranda. Es war meine erste Kostprobe von dem fremdländischen Getränk. Die heiße braune Flüssigkeit duftete besser als sie schmeckte, aber sie machte Kopf und Gedanken angenehm klar. Irgendwie kam es so, dass wir den Trampelpfad zum Bach hinunterschlenderten, die Becher als Wärmespender zwischen den Händen. Der Wolf nahm dort einen ausgiebigen Trunk, dann spazierten wir zurück und blieben am Rand meines Gartens stehen. Der Narr drehte die Perlen an Jinnas Amulett, während ich ihm von ihr erzählte. Er tippte mit einer langen Fingerspitze gegen das Glöckchen und ein langer silberner Ton stieg sich ausbreitend in die Nacht. Wir statteten Malta einen Besuch ab, und ich schloss die Tür zum Hühnerhaus, damit das Federvieh vor nächtlichen Räubern geschützt war. Wir kehrten zur Hütte zurück und ich setzte mich auf die Kante des Vorbaus. Wortlos nahm der Narr meinen leeren Becher mit ins Haus.
Als er ihn wiederbrachte, war er randvoll mit Sandsegger. Er setzte sich neben mich, der Wolf ließ sich auf meiner anderen Seite nieder und legte den Kopf auf mein Knie. Ich nahm einen Schluck, ließ die Ohren des Wolfs durch meine Finger gleiten und wartete. Der Narr stieß einen leisen Seufzer aus. »Ich bin dir ferngeblieben, solange ich konnte.« Er sprach es aus wie eine Entschuldigung.
Ich zog eine Augenbraue hoch. »Kein Besuch von dir wäre zu früh gewesen. Ich habe mich oft gefragt, was aus dir geworden ist.«
Er nickte ernst. »Ich habe mich ferngehalten, weil ich hoffte, du würdest endlich ein gewisses Maß an Ruhe und Zufriedenheit finden.«
»Das habe ich«, versicherte ich ihm. »Das habe ich.«
»Und nun bin ich hier, um es dir wieder wegzunehmen.« Statt mich anzusehen, richtete er den Blick in die Nacht hinaus, in die Dunkelheit unter den Bäumen am Waldrand. Er baumelte mit den Beinen wie ein Kind und nahm dann einen Schluck von seinem Brandy.
Mein Herz sank. Ich hatte geglaubt, er wäre meinetwegen gekommen. Tastend fragte ich: »Dann hat Chade dich geschickt? Um mich zu bitten, dass ich nach Bocksburg zurückkehre? Ich habe ihm meine Antwort bereits gegeben, und sie gilt immer noch.«
»Hast du? Aha.« Er ließ den Schnaps im Becher kreisen. »Ich hätte mir denken können, dass er schon hier war. Nein, mein Freund, ich habe Chade in all den Jahren nicht gesehen, aber dass er dich aufgesucht hat, bestätigt meine Befürchtungen. Die Zeit ist gekommen, da der Weiße Prophet seinen Katalyst wieder ins Spiel bringen muss. Glaub mir, wenn es einen anderen Weg gäbe, wenn ich dich in Frieden lassen könnte, würde ich es tun.«
»Was willst du von mir?«, fragte ich beklommen. Doch er verstand sich heute ebenso wenig darauf, eine klare Antwort zu geben wie damals, als er König Listenreichs Hofnarr gewesen war und ich des Königs Sohnessohn, allerdings auf der falschen Seite des Ehebettes gezeugt.
»Ich will, was ich immer von dir gewollt habe, seit ich entdeckte, dass es dich gibt. Wenn ich den Lauf der Geschichte ändern soll, wenn es mir gelingen soll, die Welt auf eine andere, bessere Bahn zu lenken, dann brauche ich dich. Dein Leben ist der Keil, den ich benutze, um die Zukunft aus dem Gleis zu hebeln.«
Er schaute in mein langes Gesicht und lachte laut. »Ich bemühe mich, Fitz, ich bemühe mich wirklich. Ich spreche so deutlich wie ich kann, nur wollen deine Ohren nicht glauben, was sie hören. Vor vielen, vielen Jahren bin ich an König Listenreichs Hof gekommen, um einen Weg zu suchen, eine
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