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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Recht. Der ganze Sommer war ein einziger großer Knick in meinem ebenmäßigen Dasein gewesen. Ich antwortete nicht, aber das war auch nicht nötig. Er lehnte sich zurück und streckte die langen Beine aus. Wir schwiegen beide. Er nagte nachdenklich an seinem unbehandschuhten Daumen, dann legte er den Kopf an die Stuhllehne und schloss die Augen.
    »Einmal habe ich von dir geträumt.« Ich hatte nicht vorgehabt, davon zu sprechen.
    Er öffnete ein katzengelbes Auge. »Ich glaube, das Gespräch hatten wir bereits. Vor langer Zeit.«
    »Nein. Dieses Mal war es anders. Ich wusste nicht, dass du es warst, bis eben jetzt. Oder vielleicht wusste ich es doch.« Es war eine unruhige Nacht gewesen, Jahre her, und als ich aufwachte, blieb der Traum in meinem Kopf haften wie Pech an den Händen. Ich hatte geahnt, dass er etwas bedeutete, aber das Bruchstück, das zu sehen mir vergönnt gewesen war, ergab so wenig Sinn, dass ich nichts damit anfangen konnte. »Ich wusste nicht, dass du golden geworden warst. Doch eben, als du dich zurückgelehnt hast, mit geschlossenen Augen … Du – oder sonst jemand – lag auf einem rohen Bretterboden. Deine Augen waren geschlossen, du sahst aus wie krank oder verwundet. Ein Mann beugte sich über dich. Ich spürte, er hatte nichts Gutes im Sinn. Deshalb habe ich …«
    Ich hatte gegen ihn gestemmt , die Alte Macht auf eine Weise gebraucht wie seit Jahren nicht mehr. Ein heftiger Rammstoß animalischen Willens, um ihn zurückzuschleudern, ihn zu bezwingen auf eine Art, die er nicht begriff, aber hasste. Der Hass war ebenso groß gewesen wie sein Erschrecken. Der Narr wartete schweigend darauf, dass ich fortfuhr.
    »Ich habe ihn von dir weggeschoben. Er war voller Wut, wollte dich töten. Doch ich erlegte ihm einen Zwang auf, dass er gehen müsse und für dich Hilfe holen. Er wollte nicht, doch er hatte keine andere Wahl, als zu gehorchen.«
    »Weil du es ihm mit der Gabe eingebrannt hast«, sagte der Narr ruhig.
    »Vielleicht«, gab ich widerwillig zu. In der Tat war der nächste Tag eine lange Qual gewesen, Kopfschmerzen und Gabenhunger. Daran zu denken war unangenehm. Ich hatte mir vorgemacht, ich könnte die Gabe nicht auf diese Weise gebrauchen. Bestimmte andere Erinnerungen krochen aus dunklen Winkeln in meinem Gehirn. Ich drängte sie zurück. Nein, versicherte ich mir, sie hatten nichts damit zu tun.
    »Es war das Deck eines Schiffs«, erklärte er bedächtig. »Und sehr wahrscheinlich hast du mir das Leben gerettet.« Er spitzte die Lippen. »Ich hatte eine Ahnung, dass etwas Dergleichen geschehen sein könnte. Mir war immer rätselhaft, weshalb er nicht die Gelegenheit genutzt hatte, sich meiner zu entledigen. Manchmal, wenn ich sehr allein war, verspottete ich mich selbst, dass ich mich an eine solche Hoffnung klammerte. Dass ich mir einbildete, ich wäre so wichtig für einen anderen Menschen, dass er in seinen Träumen herbeieilte, um mich zu beschützen.«
    »Du hättest es besser wissen müssen«, sagte ich.
    »Hätte ich?« Dies im Ton einer Herausforderung und er fing meinen Blick ein und hielt ihn fest, statt auszuweichen, wie es sonst seine Art war. Ich konnte den Schmerz nicht verstehen, den ich in seinen Augen las, und auch nicht die Hoffnung. Er brauchte etwas von mir, aber ich wusste nicht genau was. Ich versuchte, Worte zu finden, aber dann war der Moment vorbei. Er wandte den Blick ab und erlöste mich von seiner stummen Bitte. Als er mich wieder ansah, hatte er sowohl eine andere Miene aufgesetzt als auch das Thema gewechselt.
    »Nun gut, was hast du angefangen, nachdem ich weggeflogen war?«
    Die Frage verwirrte mich. »Ich dachte – aber wenn du Chade seit Jahren nicht gesehen hast, wie du sagst, wie konntest du mich finden?«
    Als Antwort schloss er die Augen und führte den linken und den rechten Zeigefinger vor seinem Gesicht zusammen. Er hob die Lider und lächelte mich an. Ich wusste, eine bessere Antwort würde ich von ihm nicht bekommen.
    »Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll.«
    »Aber ich. Mit noch einem Marill.«
    Er erhob sich mit tänzerischer Anmut. Ich überließ ihm meinen leeren Becher, blieb sitzen und legte eine Hand auf Nachtauges Kopf, spürte, wie er zwischen Schlaf und Wachen schwebte. Falls seine Gelenke ihn noch peinigten, verbarg er es gut. Überhaupt lernte er besser und besser, sich gegen mich abzuschirmen. Ich fragte mich, weshalb er seine Schmerzen vor mir verheimlichte.
    Hast du Lust, deinen wehen Rücken mit mir zu bejammern?

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