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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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meinen Blick auf und erwiderte ihn, unverwandt, einen rätselhaften Ausdruck von Erwartung in den goldenen Augen. So durchdringend war sein Blick, dass ich zur Seite schaute. Er brach das Schweigen.
    »Also. Nach den Bergen ging es …?«
    Ich griff nach meinem Becher. Schon wieder leer. Ich versuchte, mich zu erinnern, wie viel ich getrunken hatte, und kam zu der Feststellung, es reichte für einen Abend. »Morgen, alter Freund, Morgen. Gib mir eine Nacht, um darüber zu schlafen und zu überlegen, wie ich die Geschichte am besten erzähle.«
    Lange anmutige Finger schlossen sich wie aus dem Nichts um mein Handgelenk. »Überlege, Fitz. Aber dabei vergiss nicht …« Ihm schienen die Worte zu fehlen. Er senkte seinen Blick in meine Augen, und als er weitersprach, geschah es im Tonfall einer inständigen Bitte. »Erzähl mir alles, was dir guten Gewissens möglich ist. Weiß ich doch niemals im vorhinein, was ich hören muss, bis ich es gehört habe.«
    Wieder verstörte mich die Eindringlichkeit seines forschenden Blicks. »Rätsel«, spöttelte ich, um zu der heiteren Stimmung von eben zurückzufinden, aber das Wort, kaum heraus, war wie das vorweggenommene Echo seiner Erwiderung.
    »Rätsel«, nickte er. »Rätsel, auf die wir die Antwort sind, wenn wir nur die Fragen erkennen können.« Er richtete die Augen auf seine Hand an meinem Arm und ließ mich los, dann erhob er sich geschmeidig und reckte sich, eine schlangengleiche Bewegung, die aussah, als löste er die Knochen aus seinen Gelenken und setzte sie dann wieder zusammen. Er schaute freundlich auf mich hinunter. »Geh zu Bett, Fitz«, sagte er, als wäre ich ein Kind. »Ruh dich aus, so lange du kannst. Ich habe das Bedürfnis, noch etwas aufzubleiben und nachzudenken. Falls ich dazu imstande bin. Der Marill ist mir ziemlich zu Kopfe gestiegen.«
    »Mir ebenso«, stöhnte ich. Er streckte mir die Hand hin, ich griff danach, und er zog mich mühelos vom Boden hoch und auf die Füße. Wie schon früher erstaunte mich die große Kraft in seinem schmächtigen Körper. Ich torkelte einen Schritt zur Seite, und er folgte meiner Bewegung, fasste nach meinem Ellenbogen und hielt mich fest.
    »Wagen wir ein Tänzchen?«, spaßte ich matt.
    »Das tun wir schon«, antwortete er, beinahe ernst und neigte sich, ganz wie bei einem Hofball, mit einer galanten Verneigung über meine Hand, die ich ihm flugs entzog. »Träume von mir«, wünschte er feierlich.
    »Gute Nacht«, erwiderte ich stoisch, entschlossen mich nicht veralbern zu lassen. Als ich mich auf den Weg in meine Kammer machte, erhob der Wolf sich ächzend und tappte hinter mir her. Er schlief nur selten weiter als eine Armeslänge von mir entfernt. Ich ließ meine Kleider fallen, wo ich stand, kroch in mein Nachthemd und plumpste ins Bett. Der Wolf hatte sich bereits auf seinem angestammten Platz daneben ausgestreckt. Ich schloss die Augen und ließ den Arm über die Kante hängen, sodass meine Fingerspitzen sein Nackenfell berührten.
    »Schlaf gut, Fitz«, sagte der Narr. Ich öffnete die Lider einen Spalt. Er hatte sich wieder auf dem Stuhl vor dem Kamin niedergelassen und lächelte mich durch die offene Tür zwischen uns an. »Ich halte Wache«, verkündete er dramatisch.
    Ich schüttelte den Kopf über seine Blödeleien und schwenkte eine Hand in seine Richtung. Der Abgrund des Schlafs verschluckte mich.

Kapitel 7 · Das Herz eines Wolfs
    Einer der größten Irrtümer über das Wesen der Alten Macht ist der, dass sie einem Menschen gegeben ist, um damit Tiere seinem Willen gefügig zu machen. In so gut wie allen zur Warnung vor der Alte Macht dienenden Märchen, kommt ein böser Held vor, der seine Gewalt über vierfüßige Tiere oder Vögel missbraucht, um seinen Mitmenschen zu schaden. Natürlich findet der Unhold sein gerechtes Ende, indem seine tierischen Sklaven sich gegen ihn erheben. Er selbst wird als den Tieren zugehörig entblößt und dadurch jenen kenntlich, denen er übel gewollt hat.
    In Wirklichkeit sind in der Alten Macht beide Teile eines verschwisterten Paares gleichberechtigt. Nicht alle Menschen entwickeln die Fähigkeit, sich mit einem Tier zu verschwistern. Ebenso wenig besitzt jedes Tier die Eignung für einen solchen Bund. Von jenen, bei denen die Eignung vorhanden ist, haben nur wenige den Wunsch, sich mit einem Menschen zu befreunden. Eine Verschwisterung kommt nur bei gleicher Neigung auf beiden Seiten zustande. Bei Familien von Zwiehaften ist es Brauch, dass Sohn oder Tochter,

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