Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Elle Tuch schlüpfte von seinem Schoß. Ich machte große Augen.
    »Ich dachte, das hätte ich geträumt«, sagte ich endlich.
    »Das hast du. Wir haben es geträumt.«
    Die hölzerne Krone in seinen Händen zeigte die Gebrauchsspuren vieler Jahre. Verschwunden die bunten Federn und Farben, die sie einst geschmückt hatten. Ohne diese war es nur ein schlichter, geschnitzter Holzreif, kunstvoll gearbeitet, aber von einer asketischen Schönheit.
    »Du hast sie anfertigen lassen?«
    »Ich habe sie gefunden.« Der Narr zögerte einen Moment, dann meinte er mit schwankender Stimme: »Oder vielleicht hat sie mich gefunden.«
    Ich wartete darauf, dass er dem letzten Satz etwas hinzufügte, eine Erklärung, aber er schwieg. Als ich die Hand ausstreckte, um die Krone zu berühren, machte er eine kleine Bewegung, wie um sie schützend an sich zu drücken, doch sofort besann er sich und hielt sie mir hin. Mir war bewusst, dass er mir damit ein Stück von sich darbot, ein noch größerer Freundschafts-und Vertrauensbeweis als sein kostbares Pferd, das ich reiten durfte. Ich drehte das altehrwürdige Artefakt in den Händen und entdeckte Reste der einstigen Bemalung an den geschnitzten Hahnenköpfen. Zwei davon besaßen noch ihre glitzernden Edelsteinaugen. Löcher im oberen Rand der Krone ließen erkennen, wo die Schmuckfedern hingehörten. Das Holz, aus dem sie geschnitzt war, kannte ich nicht. Leicht und doch hart, schien es unter meinen Fingern zu raunen, zischelnde Geheimnisse in einer mir fremden Sprache. Ich gab ihm die Krone zurück. »Setz sie auf.« Er hielt sie in den ausgestreckten Händen. Ich sah, wie er schluckte. »Meinst du wirklich? Ich habe es einmal probiert, ich gebe es zu. Nichts ist passiert. Doch in Gegenwart von uns beiden, dem Weißen Propheten und seinem Katalysten … Fitz, es könnte sein, dass wir Kräfte wecken, die keiner von uns versteht. Wieder und wieder habe ich mein Gedächtnis durchforscht, doch in keiner Prophezeiung findet sich ein Hinweis auf diese Krone. Ich habe keine Ahnung, was sie bedeutet, oder ob sie überhaupt etwas bedeutet. Du erinnerst dich an die Vision, die du von mir gehabt hast. Ich habe nur ein verschwommenes Bild davon, der Schmetterling eines Traums, zu zerbrechlich, um ihn einzufangen, doch bezaubernd schön in seinem Flug.« Ich sagte nichts. Seine Hände, golden, wie sie einst weiß gewesen waren, hielten die Krone umfasst. Stumm forderten wir uns selbst zur Mutprobe heraus, Neugierde im Widerstreit mit Vorsicht. Zuletzt, da wir waren, die wir waren, konnte es nur einen Ausgang geben. Ein verwegenes Grinsen breitete sich langsam über sein Gesicht. Genauso, erinnerte ich mich, hatte er in der Nacht gelächelt, als er seine von der Gabe silbern gefärbten Finger an den gemeißelten Leib von Mädchen-auf-einem-Drachen legte. Eingedenk der Schmerzen, die wir damals unwillentlich verursacht hatten, war mir einen Moment bang zumute. Doch ehe ich etwas sagen konnte, hob er die Krone hoch und setzte sie sich auf den Kopf. Ich hielt den Atem an. Nichts geschah.
    Ich gaffte ihn an, teils erleichtert, teils enttäuscht. Für einen Augenblick hielt das atemlose Schweigen, dann fing er an zu glucksen, und gleich darauf brachen wir beide in helles Gelächter aus und lachten, bis uns die Tränen über die Wangen liefen. Als der Heiterkeitsausbruch sich gelegt hatte, schaute ich den Narren an, auch mit dem Holzreif auf dem Kopf immer noch mein Freund, so, wie er gewesen war. Er wischte sich die Lachtränen aus den Augen.
    »Letzten Monat hat mein Hahn bei einer Rauferei mit einem Wiesel die meisten seiner Schwanzfedern eingebüßt. Harm hat sie eingesammelt. Sollen wir die Krone damit schmücken?«
    Er nahm sie vom Kopf und musterte sie mit gespieltem Bedauern. »Morgen vielleicht. Und vielleicht borge ich mir ein paar Tropfen von deiner Tinte und versuche die Bemalung wiederherzustellen. Kannst du dich noch an die Farben erinnern?«
    Ich zuckte die Achseln. »Da vertraue ich auf dein Auge. Du hattest stets einen Blick für solche Dinge.«
    Er neigte mit ernsthafter Übertreibung dankend den Kopf, nahm das Tuch vom Boden und begann, die Krone wieder darin einzuhüllen. Das Feuer, zu einem Glutnest heruntergebrannt, übergoss uns beide mit rötlichem Schein. Ich schaute ihn lange an. In diesem Licht konnte man glauben, seine Farbe hätte sich nicht geändert, er wäre immer noch der albinoweiße Possenreißer meiner Knabenjahre und ich folglich so jung wie er. Er wandte den Kopf, fing

Weitere Kostenlose Bücher