Die Zweitfrau
den Weg in ein Restaurant. Beide leben wir regelrecht auf, es ist einfach nur schön, miteinander zu essen, zu reden, den anderen zu sehen, der Stimme zu lauschen. Das haben wir beide sehr vermisst. Wir halten uns bei den Händen, blicken uns immer wieder intensiv in die Augen. Wie immer, alles wie immer. Ich habe noch immer kein Auto und so bringt mich Peter nach Hause. Mit nach oben will er nicht kommen – leider - aber ich tue, als habe ich damit auch nicht gerechnet. Und fragen will ich nicht. Schließlich ist er derjenige gewesen, der die jetzige Situation herbeigeführt hat, also muss er auch schauen, wie er aus der „Nummer“ wieder raus kommt.
Listig jedoch, wie Frauen ja sein können, versäume ich es in der ganzen Zeit niemals, ihm zu vermitteln, dass ich viel unterwegs und immer unter Leuten bin. Mal hier auf einer Party, mal dort im Kino. Und natürlich lerne ich jede Menge Männer kennen. Und sehr viele haben ja so großes Interesse an mir. Einige sind sehr nett, sehr lustig, man kann sich gut mit ihnen unterhalten. So erzähle ich ihm immer wieder begeistert. Kein Wort ist wahr. Ich sitze daheim und gräme mich fürchterlich. Aber ich will, dass er sich Sorgen macht, ich könnte jemanden kennen lernen, der frei ist und bereit, mit mir zusammen zu sein. Und ich spüre, dass es in ihm arbeitet. Wenn ich von Partys rede, auf denen ich gewesen bin, dann vergesse ich niemals zu erwähnen, dass es sehr nett gewesen ist, es aber sicher mit ihm zusammen noch viel schöner gewesen wäre. Und niemals zeige ich echtes Interesse an einem anderen Mann. Aber ich lasse hin und wieder einen Mann anrufen, der mich angeblich einlädt zu einem Essen, oder Kinobesuch. Und ich zeige mein Erstaunen darüber, woher dieser Mann meine Telefonnummer hat. Ich habe sie ihm nicht gegeben, er muss sich also bemüht haben, sie zu erfahren. Ist das nicht toll, dass sich jemand so müht? Peter wird dann immer sehr einsilbig, versucht natürlich das zu überspielen. Aber es arbeitet in ihm, wie von mir gewünscht.
Ungefähr um diese Zeit beginnt Peter mit dem Laufen. Er hat ein Buch gelesen und erfahren, dass man, wenn man jeden Tag eine Stunde läuft, ohne seine Essgewohnheiten zu verändern, abnimmt. Und das will er nun überprüfen. Also läuft er jeden Morgen. Anfangs fällt es ihm schwer, er ist es ja nicht gewohnt, aber mit der Zeit geht es sehr gut. Es wird fast ein Zwang für ihn. Ich nenne es immer „Zwangslaufen“. Zwangsläufig muss er aus dem Haus, in dem es ihm eigentlich nicht mehr gefällt.
Er trainiert hart und tatsächlich, nach der im Buch angegebenen Zeit verliert er Gewicht. Dies spornt ihn an und er verbringt sehr viel Zeit damit, durch die Gegend zu laufen. Er nimmt ab, wird zusehends weniger, was ihm sehr gefällt. Natürlich erzählt er mir von seinen Fortschritten, weil ich zunächst skeptisch bin. Außerdem finde ich es nicht so prickelnd, dass er abnimmt. Sicher, er ist nicht gerade schlank gewesen, aber doch auch nicht dick. Mir gefällt es. Aber er selbst ist nicht zufrieden mit seinem Aussehen. Immerhin gibt uns sein neues Hobby jede Menge Gesprächsstoff.
Nach sehr kurzer Zeit genügt ihm nicht mehr, dass er so für sich alleine läuft und er meldet sich bei Stadtläufen an. Er will einfach wissen, wozu er in der Lage ist. Das wird dann richtiggehend zur Sucht bei ihm. Es gibt im weiten Umkreis keinen Lauf, den er nicht mitmacht und er achtet sorgfältig darauf, welchen Platz er in der Gesamtwertung einnimmt. So oft es geht begleite ich ihn. Das heißt, ich fahre ihm nach. Ich werde natürlich über jeden Lauf von ihm informiert und so bin ich immer rechtzeitig da, um ihm noch viel Glück zu wünschen und ihn am Ziel zu erwarten. Auf Dauer reicht auch das nicht aus und schon will er sich zu einem Marathon anmelden, was er auch tut. Nun sind seine Feierabende und Wochenenden mit Training ausgefüllt. Man hat fast das Gefühl, er genießt es, keine Zeit mehr für andere Dinge zu haben. Seinen ersten Marathon läuft er in Wien, wo er auch Freunde in der Nähe hat. Ich kann ihn nicht begleiten, denn diese Tour wird mit dem Bus in einer Gruppe unternommen, mit der Peter regelmäßig trainiert. Aber wir telefonieren natürlich miteinander und ich drücke ihm die Daumen, auch wenn ich es nicht so richtig verstehe, wie man sich so etwas freiwillig antun kann. Und als er seinen Lauf beendet hat, ruft er mich sofort an, um mir seine Zeit mitzuteilen, auf die er sehr stolz ist. Fix und fertig ist er, aber
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