Die Zweitfrau
ich seinen Gedanken nur bedingt zustimmen, denn ich sehe sofort die Schwachstellen in seinem Plan.
„Hast du dir darüber Gedanken gemacht, wie die Situation für die Kinder sein wird? Kommen sie zu der Mutter zu Besuch und gehen hoch zu dir, dann werden sie ein schlechtes Gewissen ihrer Mutter gegenüber haben. Gehen sie nur zur Mutter, dann werden sie dir gegenüber das schlechte Gewissen haben. Auf jeden Fall sind sie immer in der Zwickmühle, stehen immer zwischen den Fronten. Siehst du das nicht?“
Nein, er sieht es nicht so. Will es vielleicht auch nicht so sehen.
Mit den beiden Großen hat er mittlerweile gesprochen und die haben ihm gesagt, dass „egal, was er tut - er immer ihr Vater bleibt, den sie lieben“. Er ist sprachlos.
„ Du hast deine Kinder eben unterschätzt“, sage ich ihm.
Der Jüngste ist von seiner Mutter informiert worden. Marlies kann mit der Situation eben nicht so gut umgehen, wie es Peter recht wäre. Die beiden haben vereinbart, dass Peter mit den Kindern reden wird, aber Marlies hat es nicht abwarten können und ist ihm zuvor gekommen. Jochen stellt sich sofort auf die Seite seiner Mutter.
„Ich hatte richtig Angst, er schlägt mich“, erzählt mir Peter. „Er ist auf mich zugegangen, hat mich angebrüllt und die Hand erhoben. Ich hab ihm ganz ruhig gesagt, dass er nicht vergessen soll, wen er vor sich hat.“
Das macht Peter schon sehr zu schaffen.
Er zieht also nach oben. Ich finde es nicht gut, sehe aber ein, dass ich keine Chance habe, etwas zu ändern. Man muss warten, wie sich alles weiter entwickelt. Nun beginnt eine für uns sehr schöne Zeit. Wir können uns am Wochenende sehen, etwas gemeinsam unternehmen. Es ist herrlich. Wir gehen oft essen, gehen spazieren, kaufen etwas ein, kochen zusammen und essen zu Hause bei mir. Es ist natürlich ausgeschlossen, dass ich ihn besuchen komme - dies wollen wir Marlies nicht antun.
Und dann beginnen die Anrufe bei mir. Das Telefon klingelt und wenn ich mich melde, ist niemand dran. Es ist schon jemand dran, das höre ich deutlich, aber niemand meldet sich. Besonders schlimm ist es, wenn Peter da ist. Dann kann es sein, dass das Telefon laufend läutet, sich aber niemand meldet. Ich mache es mir zur Gewohnheit, den Stecker zu ziehen, wenn Peter da ist.
Und es gibt Streit zwischen den beiden. Immer wieder. Das alles nimmt Peter sehr mit. Er hat tatsächlich gedacht, alles wäre nach diesem einen Gespräch mit Marlies geklärt. Für ihn vielleicht, nicht aber für sie. Immer wieder macht sie ihm Vorwürfe. Erwartet, dass er sich entscheidet, dass er seine „Pflicht erfüllt“, als Ehemann, als Vater. Und sie benutzt die Kinder als Druckmittel. Sie seien nicht glücklich mit seinem Verhalten. Er wird das eines Tages bereuen, was er ihr da antut. Er hat die Ehe gebrochen, was nicht in Gottes Sinn ist. Man harrt aus, auch wenn es nicht mehr klappt in der Partnerschaft.
Peter ist ja sehr religiös erzogen und natürlich machen ihn solche Vorhaltungen nervös. Und obwohl wir uns nun jedes Wochenende sehen, habe ich mit der Zeit nicht das Gefühl, dass es sich zum Besseren gewendet hat. Immer noch ist er recht häufig daheim, wenn auch in seiner Wohnung. Immer noch geht er in die gemeinsame Wohnung, wenn die Kinder kommen. Immer noch verbringt er sehr viel Zeit dort, nicht bei mir. Und natürlich hat er auch immer noch jede Menge Verpflichtungen in seinem Heimatort. Er ist ja im Gemeinderat, im Ortschaftsrat und er sieht es als seine Pflicht an, zu den jeweiligen Sitzungen zu gehen. Nein, traumhaft ist es nicht. Es beginnt, auch an meinen Nerven zu zerren.
Dann, eines Morgens, ruft mich Peter an und fragt:
„Ist meine Frau bei dir gewesen? Oder hat sie sich bei dir gemeldet?
„Hör mal, wenn dem so wäre, dann wüsstest du das schon. Warum fragst du? Was ist los?“
„Ich habe einen Zettel gefunden, mit der Adresse deiner Praxis und auf meine Frage, was sie damit will, hat sie mir erklärt, dass sie ein Gespräch mit dir anstrebt. Von Frau zu Frau.“
Ich sage ihm zu, dass ich ihm sofort Bescheid gebe, sollte sie sich melden.
Ich höre ihm an, dass er sich nicht gut fühlt. Er klingt matt, müde und irgendwie auch erschöpft. Als ich nachfrage, was los ist, erklärt er mir, dass es am Abend zuvor wieder endlose Diskus sionen gegeben hat. Sie will einfach nicht einsehen, dass es zu Ende ist. Und da beide weit über 30 Jahre verheiratet sind, sind da natürlich viele Dinge zusammengekommen, die nicht so gelaufen sind
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