Die Zweitfrau
„gefallen“ möglichst vergessen zu machen, dass er unehelich ist. Er trägt sehr schwer an den Vorgaben des Großvaters, daran besteht kein Zweifel. Und ich verstehe das gut.
Aber: will ich das wirklich, bis ans Ende meiner Tage eine „Geliebte“ sein? Vor noch gar nicht so langer Zeit wäre eine echte Partnerschaft für mich nicht in Frage gekommen und nun dies. Und ich überlege mir, wenn ich sowieso die meiste Zeit alleine bin, dann kann ich mich auch von Peter trennen. Ich habe wenig Lust, weiterhin ein „Schattendasein“ zu führen.
Aber eine Trennung ist nicht so einfach. Es geht hier nicht nur um Sex, sondern um eine tiefe Seelenverwandtschaft, was etwas ganz anderes ist. Sex, den kann man sicher so gut wie überall bekommen, aber ein Seelenpartner, das ist etwas so Besonderes, etwas so Wertvolles, davon kann man sich nicht so einfach trennen.
Auch Peter scheint sich über die Tage seine Gedanken gemacht zu haben, denn gleich nach dem Jahreswechsel will er überraschend kommen, obwohl es nicht Dienstag ist.
Als ich den Kaffee auf den Tisch gestellt habe, beginnt er sogleich zu reden:
„Ich muss mit dir sprechen.“
„Na dann mal los, was gibt es?“
„Ich will nicht mehr kommen. Quatsch, so ist es nicht, aber ich kann nicht mehr kommen.“
„So? Du kannst nicht mehr kommen? Warum denn?“
Er räuspert sich, wird ganz unruhig und teilt mir dann mit, dass er es nicht mehr aushält, so zu leben und sich von seiner Frau zu trennen, das will er nicht. Zuviel hängt daran. Er bringt es einfach nicht fertig, sein ganzes Leben zu ändern.
„Oh, na dann trink mal schnell deinen Kaffee aus und dann mach dich vom Acker. Wir wollen das nicht herauszögern. Wenn du dich entschlossen hast, dein Leben nicht zu ändern, werde ich dir nicht im Wege sein.“
So ist meine Antwort. Ganz cool gebe ich mich, obwohl es mich innerlich fast zerreißt. Er geht nicht und wir reden stundenlang. Nein, zufrieden ist er mit seinem Leben nicht mehr, ganz und gar nicht. Nein, er liebt seine Frau nicht mehr, das ist ganz klar. Aber natürlich ist da jede Menge Gewohnheit vorhanden, man hat ja zusammen einiges aufgebaut und irgendwie kann er ihr keinen Vorwurf machen. Sie macht ihre Arbeit, ist eine gute Hausfrau, eine gute Mutter, zeigt Interesse an seiner Arbeit. Werkt im Garten, kümmert sich um alles, pflegt sowohl seine Mutter als auch seine Tante, die mit im Haus wohnen. Wie soll er da begründen, dass er eine andere Frau liebt? Was soll er ihr zum Vorwurf machen?
Ich verstehe seine Gedankengänge durchaus, aber ich mache ihn darauf aufmerksam, dass es hier nicht darum geht wer Schuld hat, sondern darum, dass sich seine Gefühle geändert haben. Das sieht er wohl ein, will jedoch trotzdem nicht den entscheidenden Schritt tun.
„Können wir nicht einfach Freunde bleiben?“, fragt er mich schüchtern.
„Ich will es gerne versuchen, aber ich glaube nicht, dass wir das hinkriegen“, so meine Antwort.
Wir „vertagen“ die Angelegenheit, finden ja keinen gemeinsamen Nenner. Irgendwann geht er, muss er gehen. Ich bin außer mir, kann gar nicht verstehen, warum er uns das antut.
Nun beginnt eine Zeit, in der wir nur miteinander telefonieren. Häufig und lange - länger als je zuvor. Das wichtige Thema wird nicht mehr angeschnitten. Obwohl er nicht mehr kommen will, hat er großes Interesse an meinem Leben. Und so richte ich mich darauf ein, jeden Morgen, bevor ich zur Arbeit fahre, mit ihm zu telefonieren. An der Intensität der Gespräche hat sich nichts geändert. Nach wie vor bespricht er alles mit mir was ihn bewegt, was ihm wichtig ist, was ihn ärgert. Ich höre wieder zu, tue meine Meinung kund. Manchmal ruft er mich in der Praxis an und oft auch noch am Abend, bevor er das Büro verlässt. Ich bin nicht zufrieden mit der Situation, aber ich spüre dass ich ihm Zeit geben muss. Ich bin mir sicher, er wird wiederkommen. Und tatsächlich, irgendwann fragt er, ob er in die Praxis kommen kann. Er hat Probleme mit seinen Füßen. Natürlich gebe ich ihm einen Termin. Und als er kommt, ist alles so vertraut wie immer.
Schlecht sieht er aus, aber ich selbst sehe auch nicht gerade aus wie das blühende Leben. Wir vermissen uns gegenseitig. Nachdem ich seine Füße behandelt habe, fragt er, ob wir nicht zusammen essen gehen können. Und selbstverständlich können wir das! Ich habe sorgfältig darauf geachtet, dass nach ihm kein Kunde mehr kommt. Ich räume also auf, verschließe die Praxis und wir machen uns auf
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