Die Zweitfrau
großen Wert legt, gefährdet sein, wenn er sich zu mir, zu unserer Liebe, bekennen wird? Er nimmt meine Hand und versucht wieder, mir zu erklären, worum es ihm geht:
„Weißt du, ich habe Angst, dass ich meine Kinder verliere. Sie würden nicht verstehen, dass ich mich trennen, ihre Mutter verlassen will. Wie ich dir ja schon erzählt habe, sind sie sehr christlich und versuchen, so gut es geht, nach der Bibel zu leben. Und wenn ich jetzt daherkomme und die Trennung will, das wäre richtig schlimm für sie.“
„Ich verstehe das gut, dass das ein tiefer Einschnitt wäre in ihrem Leben. Aber schau, sie leben doch bereits ihr eigenes Leben. Und es kann doch nicht sein, dass sie, bei aller Hingabe an den Glauben, der Meinung sind, dass „so etwas“ nur bei anderen Familien vorkommt“, gebe ich ihm zu bedenken.
Peter windet sich ein wenig, schaut aus dem Fenster, überlegt. Irgendetwas beschäftigt ihn stark. Dann räuspert er sich, ehe er weiter spricht:
„Ich weiß n icht, ob du das verstehst, aber ich war als Kind sehr einsam, hatte wenige Freunde, die mit mir spielen durften. Ich war meist alleine.“
„Warum? Was war denn los mit dir?“
„Ich rede nicht gerne darüber, aber du kannst sicher damit umgehen. Ich bin unehelich geboren, was zu der Zeit eine „Schande“ war. Nicht nur für mich, sondern für die ganze Familie. Viele Eltern haben ihren Kindern schlicht verboten, mit mir zu spielen. „Mit so einem“ hat man keinen Kontakt. Das ist nicht der richtige Umgang für „anständige“ Leute. Und so war ich oft alleine, bin wohl dabeigestanden, wenn die anderen Kinder gespielt haben, aber ich durfte nicht mitspielen. Sehr oft ist das Wort „Bastard“ gefallen.“
Ich schaue ihn verständnislos an, bevor ich frage:
„Ja aber was hat das denn mit heute zu tun? Die Zeiten haben sich doch sicher auch bei euch auf dem Dorf geändert. Wer weiß das heute überhaupt noch, dass du unehelich geboren bist? Und selbst wenn es noch jemanden gibt, der das weiß, das spielt doch keine Rolle mehr, hat gar nichts mit dem zu tun, worum es jetzt und hier geht. Hat deine Familie sich nicht gewehrt gegen diese Dinge? Haben sie das einfach so hingenommen?“
„Es ging gar nicht darum, ob sie zu mir stehen. Das haben sie schon getan. Die Großeltern haben mich großgezogen. Meine Mutter hat ja die Woche über in Stuttgart gearbeitet. Und so haben sich die Großeltern und meine Tante um mich gekümmert. Am Wochenende kam meine Mutter, aber da gab es dann immer Vorwürfe und Streit. Großvater hat ihr vorgeworfen, dem guten Namen „Schande“ gemacht zu haben. Er war eine angesehene Person in der Gemeinde. Und seine Tochter hat ein uneheliches Kind nach Hause gebracht! Das war furchtbar für alle. Ich hab es gar nicht gemocht, wenn die Großen gestritten haben, bin meist nach draußen, hab ja gar nicht so richtig verstanden, worum es eigentlich ging.“
„War dein Vater aus demselben Dorf?“
„Nein, nein. Meine Mutter hat während des Krieges als Krankenschwester im Lazarett gearbeitet. Dort hat sie ihn kennen gelernt und sich wohl verliebt. Leider war er verheiratet, wollte sich auch nicht scheiden lassen. Und als meine Mutter schwanger geworden ist, hat er sich abgesetzt.“
„Hast du deinen Vater kennen gelernt, hattet ihr Kontakt?“
„Nein, das hat sich nicht ergeben. Er musste wohl Unterhalt zahlen, das hat damals noch das Jugendamt geregelt. Aber erst als ich meine Lehre beendet habe, habe ich ihm mal geschrieben, ob wir uns nicht kennenlernen könnten. Vorher hatte ich nie seinen Namen erfahren. Es wurde nicht über ihn gesprochen. Den Namen habe ich dann auch vom Jugendamt mitgeteilt bekommen. Und ich hab mich hingesetzt und ihm geschrieben. Er hat den Brief gar nicht bekommen, sondern seine Frau hat ihn abgefangen und mir geantwortet. Es war ihr ganz wichtig, dass die eigenen Kinder nichts erfahren von der „Verfehlung“ ihres Vaters. Aber sie hat verstanden, dass ich ihn kennen lernen wollte und hat ein „zufälliges“ Treffen vorgeschlagen.“
„Wie sollte das denn funktionieren?“
„Na ja, sie stellte sich vor, dass sie und ich ausmachen, dass wir uns in irgendeinem Park zufällig über den Weg laufen. Aber ich hätte nicht sagen dürfen, dass ich der Sohn von ihm bin.“
„Das ist doch lächerlich, kann ich gar nicht glauben.“
„Aber so war es. Und das wollte ich nicht, mich „zufällig“ mit ihm treffen und so hab ich abgesagt.“
Ich verstehe Peter, aber mir ist
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