Die Zweitfrau
gesammelt, was sich seit der damaligen Diagnose getan hat. Vielleicht möchten Sie es haben, sind eventuell daran interessiert, wie es weitergegangen ist?“
Er blickt den Arzt fragend an. Über das Gesicht des Arztes geht ein Strahlen und er greift sofort nach der Mappe.
„Oh, das ist wunderbar. Natürlich interessiert mich das. Wissen Sie, man hört meist gar nichts mehr von den Patienten. Wie es ihnen geht, wie die weitere Behandlung war, was getan wurde. Das ist natürlich für mich sehr interessant. Ich danke Ihnen sehr dafür. Das ist wirklich fantastisch“.
Man sieht ihm die Freude richtig an. Peter freut sich, dass er es gewagt hat, die Mappe mitzunehmen und vor allen Dingen, sie auch zu übergeben. Der Arzt klemmt sich die Akte wie einen Schatz unter den Arm. Dann verabschieden wir uns voneinander. Er wünscht uns weiterhin alles Gute und geht. Nicht wieder zu seinem Platz neben seinem Chef; er läuft in die andere Richtung, verlässt den Raum und wir sehen noch, wie er bereits beginnt in der Akte zu lesen, bevor die Türe sich hinter ihm schließt. Wir sind richtig glücklich, dass wir hier hergekommen sind, ihm die Akte gebracht haben. Gut gelaunt fahren wir heim, machen noch einen Zwischenstopp in einem Café, wo wir in Ruhe einen Kaffee trinken und ein Stück Kuchen essen.
Peter geht es momentan gut. Wohl stört es ihn hin und wieder, dass er jedes Vierteljahr zu den verschiedenen Nachuntersuchungen gehen muss und selbstverständlich macht sich Tage zuvor eine gewisse Spannung breit, aber ansonsten geht es ihm prächtig. Würde er etwas mehr Gewicht zulegen, man könnte vergessen, wie krank er ist, was er hinter sich hat. Dennoch: er versucht weitgehend so zu leben wie vor der Diagnose, was ihm auch meist gelingt.
Sorge bereitet mir seine Einstellung zu den Medikamenten, die er nun regelmäßig einnehmen soll. Seine größte Angst ist, dass er von ihnen abhängig wird. Das will er nicht, auf keinen Fall. Wenn ich ihn daran erinnere, dass er eine große OP hinter sich hat, das Gewebe in seinem Körper stark angegriffen ist, weshalb er hin und wieder Schmerzen hat und ich es deshalb für wenig sinnvoll halte, die Medikation einfach eigenständig herabzusetzen, dann gefällt ihm das nicht. Er will ohne Medikamente leben. Das ist sein nächstes Ziel. Ich rate ihm dazu, das auf jeden Fall mal mit seiner Ärztin zu besprechen, was er auch tut. Man muss sich vor Augen halten, dass diese Krankheit wohl bekannt ist, es aber auf jeden Fall sehr wenig Informationen gibt, die sich belegen lassen. Auch die Ärzte tappen da ein wenig im Dunkeln. Sind sich nicht völlig klar darüber, was „normal“ ist und was nicht. Seine Ärztin rät ihm auf jeden Fall dazu, das zu tun, was ihm gut tut. Er kann jederzeit die Medikamente senken, sollte sich herausstellen, dass die Schmerzen überhandnehmen, dann kann er sie ja wieder heraufsetzen. Das gefällt Peter und von da ab experimentiert er mit den verschiedenen Tabletten. Manche verträgt er gar nicht, dann wird gewechselt. Manche scheinen gar keine Wirkung zu haben, also setzt er die ab. Mit der Zeit hat er einen für sich guten Weg gefunden. So scheint es auf jeden Fall. Ich selbst denke, dass in seinem Fall eine gewisse „Abhängigkeit“ wohl das kleinste Problem darstellt. Peter lässt da aber nicht mit sich handeln. Meist geht es ihm gut. Und solange er sich wohlfühlt, soll es mir recht sein.
Gut geht es ihm auf jeden Fall immer dann, wenn die Kinder kommen, vor allem seine Tochter mit Enkelkind. Und seine Freude ist riesengroß, als ihm Alessa das erste „Foto“, ein Ultraschallbild, seines neuesten Enkelkindes zeigen kann. Sie ist wieder schwanger. Wunderbar! Nun hat Peter erneut ein Ziel vor Augen.
Als die kleine Tochter, Rebecca, zur Welt kommt, sind wir natürlich unter den Ersten, die benachrichtigt werden und den neuen Erdenbürg er begrüßen.
Kapitel 14
Und wieder steht Weihnachten vor der Tür und in diesem Jahr sind wir es, die meine Schwester zum Essen einladen. Wir machen es, seit sie hier wohnt jedes Jahr im Wechsel. Ich bin also mit den Vorbereitungen für das Essen beschäftigt. Peter hat rechtzeitig mit der Dekoration begonnen. Es ist ein wenig anstrengend für ihn, liegt ihm aber doch sehr am Herzen. Unsere Wohnung ist weihnachtlich geschmückt, überall duftet es nach Vanille, nach Zimt. Wir genießen diese Zeit sehr - uns ist bewusst wie leicht es hätte sein können, dass wir keine Gelegenheit mehr gehabt hätten, gemeinsam
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