Die Zweitfrau
ist mir sofort klar. Umso begeisterter bin ich. Die Zeit vergeht blitzschnell und nach etwas mehr als einer Stunde ist die Vorstellung beendet.
Wir gehen zum Auto und starten nach Hause. Er ist schön gewesen, dieser Besuch, aber nun freuen wir uns auch wieder darauf, nach Hause zu kommen. Und wir haben Glück, es geht flott voran, kein nennenswerter Stau ver zögert unsere Ankunft zu Hause.
Kapitel 16
Und immer noch geht es Peter sehr gut. Er hat ein wenig Gewicht zugelegt, geht viel nach draußen, zum Sport. Wir gehen abends gerne zu Fuß in eine nahegelegene Gartenwirtschaft. Dort können wir essen und trinken und wenn wir mal ein oder auch zwei Gläser Wein mehr trinken, macht das nichts aus - wir können innerhalb von 5 Minuten zu Fuß zu Hause sein. Wir sitzen abends auf unserem Balkon, beobachten die Menschen, den Verkehr, Bauarbeiten in der Nähe und freuen uns, dass es Peter so gut geht.
Wir haben uns zu einem Urlaub an der Ostsee entschlossen. Ich selbst wäre lieber nach Italien gefahren, aber ich dränge nicht darauf, weil ich weiß, dass Peter Ruhe braucht und gerne innerhalb Deutschlands Urlaub machen will. Das hat auch damit zu tun, dass er die italienische Sprache nicht beherrscht. Er will sich aber diesmal verständigen können und verspricht mir, dass wir Rom im kommenden Jahr in Angriff nehmen werden. Wir suchen im Internet nach einer Bleibe und werden auch fündig. Es ist in Bosau am Plöner See, wo wir eine sehr schöne Zweizimmer-Wohnung finden, die uns gefällt. Wir wollen diesmal nicht in ein Hotel, sondern wählen eine Ferienwohnung, damit wir unabhängiger sind, was das Essen betrifft. Und so freuen wir uns auf diesen Urlaub.
Zuvor jedoch fahren wir nach Mainz, „unserer“ Stadt, die wir beide sehr lieben und immer mal wieder aufsuchen. Wir besichtigen natürlich den Dom, wo wir für uns eine Kerze anzünden, schlendern durch die Altstadt, setzen uns vor einem Lokal in die Sonne. Genießen und beobachten das Treiben.
Es ist eine stille Freude, die man vielleicht nur dann verstehen kann, wenn man hautnah erlebt hat, wie dankbar man wird, wie schnell sich alles ändern kann im Leben, wie schnell man jemanden verlieren kann. Uns ist das nach der Diagnose immer bewusst. Zeit gemeinsam zu verbringen wird für uns das Wichtigste überhaupt. Dabei engen wir uns keineswegs ein. Jeder von uns unternimmt auch Dinge, die ihm wichtig sind. Aber mit der Zeit werden immer weniger Dinge wirklich wichtig für uns. Zeit ist so kostbar geworden. Und wir versuchen sie - so gut es geht - zu nutzen.
Kurz vor unserer Abreise nach Bosau besuchen wir unser nahegelegenes Gasthaus. Das Wetter ist gut, es ist so warm, dass man draußen sitzen kann. Im Biergarten stehen wie jedes Jahr Orangen- und Zitronenbäume in Kübeln. Außerdem gibt es Olivenbäume und natürlich Oleander, der prachtvoll blüht. Es duftet einfach herrlich nach Flammkuchen und es ist, wie immer, ziemlich voll. Da uns aber die Wirtin mittlerweile sehr gut kennt, weist sie uns einen kleinen Tisch zu, an dem wir gemütlich sitzen können. Es ist ein milder Abend, wir essen Flammkuchen und trinken dazu französischen Wein, den die Wirtsleute jedes Jahr selbst im Elsass holen. Unser Gespräch dreht sich, wie sehr häufig wieder um seine Krankheit. Den Verlauf, die Ängste, die Hoffnungen - die furchtbare Zeit, die wir gemeinsam überstanden haben. Ich selbst erkläre Peter:
„Weißt du, das alles hat mich sehr viel Kraft gekostet. Nicht so sehr das „Drumherum“, wie der Umzug oder die viele Fahrerei. Mehr die Angst, die Hilflosigkeit, die ich oft gespürt habe. Ich bin wirklich fix und fertig gewesen.“
„ Du hast nie darüber gesprochen. Ich meine, es ist mir schon klar gewesen, dass du leidest. Aber dass du so sehr leidest, das hab ich nicht gewusst. Du machst immer so den Eindruck, als ob dich nichts umhauen kann. Warum hast du nichts gesagt?“
„Was hätte das genutzt? Du bist es doch, der krank ist. Wie hätte ich dich mit meinen Problemen belasten können? Auf jeden Fall bin ich froh, dass wir das hinter uns haben. Ich möchte so etwas nicht noch einmal erleben. Ich glaube, ich kann das nicht noch einmal durchstehen. Alles hat einfach zu viel Kraft gekostet.“
Nie zuvor habe ich über diese Gefühle gesprochen mit ihm. Natürlich ist ihm klar gewesen, dass ich oft wie „neben mir“, mit den Gedanken ganz woanders gewesen bin, nicht mehr richtig zugehört habe. Es hat zu dieser Zeit wichtigere Dinge gegeben, über die
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