Die Zweitfrau
würde er nie wieder mitmachen können. Wir feuern ihn an, jubeln, als er an uns vorbei läuft. Meine Schwester hat Ratschen mitgebracht und so ratschen wir wie verrückt. Es ist für Peter fast ein wenig peinlich, aber es tut seiner Seele auch sehr gut. Er läuft 5 km an diesem Tag, in einer Zeit, die er früher nicht mal für 10 km gebraucht und über die er noch vor zwei Jahren gelacht hätte. Aber als er einläuft und wir pfeifen, jubeln, ratschen und hüpfen, da kann ich sehen, dass er froh ist, mitgelaufen zu sein. Er es geschafft hat, dass es egal ist, völlig egal, in welcher Zeit. Er läuft wieder, hat der Krankheit ein Schnippchen geschlagen. Das alleine zählt für ihn. Und er ist mit sich zufrieden. Und obwohl er sichtlich erledigt ist, wird es ein schöner Tag. Wir bleiben noch lange, essen und trinken mit den Leuten am Tisch und reden. Und immer wieder lächelt Peter vor sich hin, freut sich im Stillen darüber, dass er hier sitzen kann und das nach einem Lauf.
Kapitel 13
Heute am Samstag ist in der Pforzheimer Klinik, in der „unser“ Oberarzt arbeitet, „Tag der offenen Tür“. Peter will dorthin, denn es werden mehrere Vorträge gehalten. Auch „unser“ Oberarzt soll sprechen. Da Peter selbstverständlich auch seine Krankheit dokumentiert hat, beschließt er deshalb dorthin zu gehen und die Unterlagen an den Arzt weiterzugeben. Außerdem will er die Gelegenheit nutzen, um sich bei dem Arzt für dessen Einsatz zu bedanken. Es versteht sich für mich von selbst, dass ich ihn begleite, denn auch ich habe den Arzt in angenehmer Erinnerung. Wir haben schon häufig von ihm gesprochen, sind so dankbar, dass gerade er damals unseren Weg gekreuzt hat. Was haben wir für ein Glück gehabt.
Wir fahren also nach dem Frühstück nach Pforzheim, rechtzeitig bevor der Vortrag „unseres“ Arztes beginnt. Die Klinik gleicht einem Ameisenhaufen. Überall laufen Menschen herum. Es sind Stände zu allen möglichen Themen aufgebaut. Vereine stellen sich vor, die behilflich sein können, wenn jemand Hilfe nach einem Eingriff benötigt, aber alleinstehend ist. Schwestern laufen mit Besuchergruppen durch die Gegend und zeigen die verschiedenen Abteilungen. Überall hängen bunte Luftballons, was der Klinik ein sehr freundliches Aussehen verleiht. Das gute Wetter, das herrscht, hat viele Leute angezogen, an diesem Tag hierher zu kommen und einmal „hinter die Kulissen“ der Klinik zu schauen.
Wir finden schnell den für Vorträge vorgesehenen Raum und warten nun auf „unseren“ Arzt. Als er kommt, wollen wir ihn nicht gleich belästigen und beschließen deshalb zu warten, bis er seinen Vortrag beendet hat . Es geht natürlich um Thorax-Chirurgie und alles was damit zu tun hat. Die heutigen Möglichkeiten, die neuen Methoden und Behandlungsweisen. Er ist ein guter Arzt, darüber sind wir uns einig, aber für Vorträge eignet er sich nicht. Was er erzählt, kann jeder leicht auch nachlesen. Das ist einfach nicht sein Ding, was wir allerdings nicht schlimm finden. Wichtiger, viel wichtiger ist ja, dass er ein Herz für seine Patienten hat. Sich für sie einsetzt, ihnen das Gefühl gibt, für ihn sind sie das Wichtigste. Und wir wissen, haben es selbst erlebt, dass es so ist. Vorträge sollen andere halten. Wir warten also ab, bis er den Vortrag beendet hat. Zu unserem großen Bedauern setzt er sich anschließend zu seinem Chef. Ein bisschen warten wir, dann fasst Peter all seinen Mut zusammen, geht zu ihm und spricht ihn an. Er bittet um ein kurzes Gespräch. Der Arzt springt auch gleich willig auf, wohl froh, dass er gehen kann und folgt Peter bis zu mir. Als er mir die Hand reicht, frage ich:
„Erinnern Sie sich an uns?“
„Natürlich“, antwortet er, gibt auch Peter die Hand und spricht weiter, „man hat nicht so oft mit dieser Krankheit zu tun.“
Peter schluckt erst und sagt dann:
„I ch bin hier, weil ich mich bei Ihnen bedanken möchte. Wären SIE nicht gewesen, hätten sich nicht so für mich eingesetzt, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich schon tot.“.
Er hat bei diesem Satz Tränen in den Augen. Der Arzt legt ihm die Hand auf den Arm und sagt:
„Nein, wäre ich nicht gewesen, wäre es ein anderer Arzt gewesen. Aber ich freue mich sehr, dass es Ihnen gut geht und Sie gekommen sind.“
Peter hat seinen Rucksack dabei, den er nun öffnet und seine Mappe, mit den bis dahin gesammelten Unterlagen, herausholt.
„Ich weiß nicht, ob Sie es möchten“, sagt er, „aber ich habe hier alles
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