Die Zweitfrau
wäre es lieber, er würde sofort anrufen und eventuell den Termin vorverlegen. Aber davon will er nichts wissen.
Zwei Tage später öffnet er morgens die Tür zu seinem Zimmer und augenblicklich verbreitet sich ein unglaublicher Fäulnisgeruch in der ganzen Wohnung. Ich beginne sofort zu würgen und habe Mühe, den Brechreiz zu unterdrücken. Sofort öffne ich alle Fenster, mache sie sperrangelweit auf, damit der Geruch verschwindet.
Beim Frühstück bitte ich Peter:
„Sei doch so gut und schließe morgens, wenn du dein Zimmer das erste Mal verlässt, die Türe.“
„Warum? Was ist los?“
Ich halte inne, bevor ich antworte. Ich will ihn nicht verletzen, aber ich will so etwas auch nicht noch einmal erleben:
„Es ist heute am Morgen so furchtbar gewesen, das kannst du dir nicht vorstellen. Ein grauenhafter Geruch ist durch die ganze Wohnung gezogen, innerhalb von wenigen Minuten ist alles wie verseucht gewesen. Ich denke, das kommt von den Medikamenten, die du nimmst und die der Körper über Nacht ausdünstet. Was anderes kann es fast nicht sein. Du riechst das selber nicht, ist mir schon klar.“
Peter blickt beschämt vor sich auf den Tisch.
„Hör mal, du kannst nichts dafür, das weiß ich. Es ist auch kein Vorwurf, es ist die Krankheit, also bitte fasse das nicht falsch auf, wenn ich es anspreche. Hörst du?“
Er nickt und fragt dann zaghaft:
„Rieche ich auch tagsüber so?“
Seine Miene ist ganz bekümmert. Der Gedanke, er könnte auch tagsüber so riechen, das macht ihm zu schaffen.
„Nein, tagsüber ist das nicht so. Ich schwöre es dir. Wäre es so, ich hätte schon lange was gesagt. Ich denke, weil du nachts bei geschlossenem Fenster schläfst, kann sich das so richtig entwickeln. Ist ja nicht schlimm. Wir müssen eben darauf achten, dass gut gelüftet wird, bevor die Türe aufgemacht wird.“
Das beruhigt ihn ein wenig, aber trotzdem merke ich, dass er sich unwohl fühlt. Ich greife über den Tisch, drücke seine Hand, streichele über seinen Handrücken und nicke ihm aufmunternd zu.
Täglich geht es ihm nun ein wenig schlechter und so sind wir froh, als der Tag der Untersuchung gekommen ist. Wieder wird Blut abgenommen, wird er untersucht, es wird erneut ein CT gemacht, kurz: er wird fast „auf den Kopf gestellt“.
Als die Befunde endlich vorliegen, teilt ihm der Professor mit, dass alles in Ordnung ist. Aber mittlerweile ist Peter nicht mehr so leicht zufrieden zu stellen und so fragt er nach:
„Wenn alles in Ordnung ist, warum fühle ich mich dann so schlecht? Warum habe ich seit kurzem wieder Schmerzen? Und vor allen Dingen, warum schwitze ich so sehr in der Nacht?“
Der Professor stutzt zunächst, fragt nach, wie sich dieses „schlecht fühlen“ darstellt, wie die Schmerzen sich zeigen und dann ordnet er eine erneute Untersuchung an. Dazu allerdings soll Peter für ein, zwei Tage in die Klinik kommen. Es wird sogleich ein Termin vereinbart.
Am 12.10.2011 packt Peter also erneut seine Koffer und wird in der Klinik stationär aufgenommen.
Als ich ihn abgeliefert habe und wieder daheim bin, untersuche ich erneut sein Zimmer. Ich bin überzeugt, dass in diesem Raum irgendetwas liegt, was da nicht hingehört und daher dieser ekelhafte Geruch immer wieder auftaucht. Allein, ich werde nicht fündig. Es macht mich ganz verrückt, hin und wieder bin ich schon überzeugt, ich bin nicht mehr ganz richtig im Kopf, bilde mir das alles nur ein. Kann das sein? Ich bin mir nicht sic her und lasse es zunächst damit bewenden.
Abends telefonieren Peter und ich wieder regelmäßig und ich höre genau, dass es ihm in der Klinik überhaupt nicht gefällt. Er hat nicht das Gefühl, dass sich das Pflegepersonal dort wirklich ernsthaft um ihn kümmert.
„Weißt du, nach Essen werden es alle kommenden Kliniken schwer haben, deinen gehobenen Ansprüchen genügen zu können. Essen, die waren einfach super. Das darfst du nicht vergessen.“
Aber das allein ist es nicht für ihn. Häufig pas siert den ganzen Tag nichts und er liegt dort im Bett herum und wartet. Selbstverständlich werden Untersuchungen gemacht, aber niemand hält es lange Zeit für nötig, ihn darüber aufzuklären, was dabei herausgekommen ist. Und all dies macht ihn missmutig. Ich kann ihn verstehen und fühle mich - wieder einmal - hilflos.
Nach einer Woche - solange hat es letztendlich gedauert, bis alle Untersuchungen abgeschlossen sind - wird Peter erneut eine Chemo empfohlen und ein Gespräch mit dem Oberarzt
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