Die Zwerge
seines scheinbaren Freundes und die Falschheit seiner Ratschläge erkennt. Gandogar ist kein schlechter Zwerg, er hat nur den falschen Berater«, erwiderte Balendilín. »Aber ich brauche Zeit – die du uns mit deinem Koboldtheater verschaffen kannst.« Er schaute dem Zwerg fest in die Augen.
»Du leistest deinem Volk einen Dienst, dessen Wert es erst später erkennen wird«, meinte Gundrabur. »In den Geschichtsbüchern wird geschrieben stehen, dass Tungdil, ein verlorener Zwerg, wie aus dem Stein gemeißelt erschien, um die Kinder des Schmieds vor der Zwietracht und dem Untergang durch die eigene Hand zu bewahren.«
»Ich bin bereit«, beteuerte Tungdil. »Aber ich werde all eure Unterstützung benötigen.«
»Sie ist dir sicher, mein lieber Tungdil. Ehrenvoller als du kann niemand handeln«, pries ihn Balendilín. »Verzeih, dass wir dir keine Ruhe gönnten und dich erst zu uns bestellten, aber die Klärung dieses Sachverhaltes hatte Vorrang vor allem anderen. Ruhe dich nun aus! Einen Tag räumen wir dir ein, damit du dich erholst. Danach wartet der Rat auf dich, um deinen Anspruch zu prüfen.« Der Einarmige lächelte ihm aufmunternd zu.
»Verschaffe uns Zeit, Tungdil«, verabschiedete ihn der Großkönig, »damit wir in eine bessere Zukunft ohne Bislipur gehen können.« Er nahm den Zeremonienhammer und hielt ihn dem Zwerg entgegen. »Schwöre auf diesen Hammer, mit dem uns Vraccas erschuf, dass du niemandem etwas darüber erzählst!«
Tungdil kam der Aufforderung nach und wandte sich zum Gehen. Als er die Versammlungshalle verließ, warteten Andôkai und Djer_n immer noch auf ihn.
»Man hat uns angeboten, ein wenig zu bleiben«, erklärte sie mit gleichgültiger Miene. »Das kommt mir sehr gelegen. Die letzten Reisetage mit dir waren sehr anstrengend.«
»Mir erging es ähnlich«, meinte Tungdil grinsend und ließ sie darüber im Unklaren, ob sich seine Anmerkung auf sie oder die Ereignisse bezog.
Ein Zwerg führte sie zu ihren Gemächern. Der Weg dorthin brachte den Thronanwärter zum Staunen. Die Steinmetzen hatten die Wände mit enormer Akribie bearbeitet, Landschaften aus dem Stein gehauen und Worte eingemeißelt. Zwergische Schmucksymbole waren mit Edelmetallen ausgelegt, die golden, silbern, rot und gelb schimmerten.
Noch etwas fiel ihm auf. Die Treppen, die er kannte, waren rechteckig, glatt, einfach.
Hier nicht. Keine Stufe glich der anderen. Ornamente zierten die Trittflächen, die senkrechten Teile dazwischen trugen in den Stein getriebene Silben.
Zuerst verstand er den Sinn nicht, doch als er die Buchstaben beim Erklimmen zusammensetzte, ergab sich am Ende einer jeden Treppe daraus eine Geschichte. Auf diese Weise versüßten sich die Zweiten das anstrengende Treppensteigen. Tungdil bemerkte am neugierigen Ausdruck in Andôkais Augen, dass sie es ebenfalls bemerkt hatte und mitlas.
Es handelte sich um Abenteuer aus der glorreichen Zeit seines Volkes, eines glorreicher als das andere. Tungdil freute sich über jede Stiege, bis sie vor ihren Unterkünften angelangten.
Die Maga verschwand so schnell in ihrem Zimmer, dass er sie nicht mehr nach den Büchern fragen konnte. Womöglich hatte sie darin etwas entdeckt oder war einer Lösung auf der Spur, anders konnte er sich ihren Stimmungswandel nicht erklären.
Vielleicht erwirkt Gundrabur bei ihr mehr als ich, hoffte er und betrat müde seine Kammer.
*
»Es ist schön, wenn man unter Freunden ist. Da muss man sein Zimmer nicht abschließen«, wurde Tungdil von einer dunklen Stimme geweckt.
Verschlafen richtete er sich in seinem Bett auf und erkannte Bislipur, der unmittelbar neben seinem Lager stand.
»Guten Morgen, Tungdil«, grüßte er ihn nicht unbedingt freundlich. »Wir werden uns später noch einmal im Rat gegenüberstehen, doch ich dachte mir, es wäre eine gute Idee, wenn wir uns vorher ein wenig unterhielten. Siehst du das anders?«
»Es kommt ein wenig unvermittelt«, räumte der Zwerg ein, dem das unangemeldete Eindringen von Gandogars Berater nicht passte. Wenn er genauer darüber nachdachte, war es sogar äußerst unverschämt. Die anfänglich verspürte Sympathie für einen Zwergenbruder, die er sich trotz der Anfeindung im Thronsaal bewahrt hatte, schwand zusehends.
Bislipur setzte sich auf das Bett und betrachtete ihn ganz genau. »Du willst also einer von unserem Stamm sein?«, fragte er spöttisch. »Ein Findelkind, das bei einem Zauberer groß gezogen wurde, und, wie ich hörte, von königlichem Blut. Man
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