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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Vorrang.«
    »Ah, der Gelehrte muss erst darüber nachdenken.« Noch immer wandte er sich Tungdil nicht zu, er redete scheinbar mit dem Schnee und den Fußspuren Djer_ns. »Wenn du etwas gefunden hast, das dir etwas bedeutet, zögere nicht, dich darum zu bemühen, denn schneller, als die Axt einen Ork spaltet, ändern sich so manche Dinge, und du stehst mit leeren Händen da.«
    »Warum sagst du mir das?«
    »Nur so. Einfach nur so.« Er kniff die Lider zusammen. »Da vorn ist der Eisenmann.« Er zückte seine Beile. »Wir werden gleich sehen, ob sich der Verstand des singenden Säufers gegen die Macht des Toten Landes behauptet hat.« Sollte das nicht der Fall sein, sprachen die Beile in seinen Händen ihre eigene Sprache.
    Die Maga rief Djer_n etwas zu. Als Antwort hob er seinen gepanzerten Arm und winkte sie näher. Bavragor stand neben ihm, die Arme hingen am Körper herab, seine Augen starrten ausdruckslos auf das Graue Gebirge.
    »Bavragor?«, redete Tungdil ihn behutsam an, während er das bleiche Gesicht musterte, um eine Regung zu erkennen. Die Züge wirkten gealtert, wächsern, tot.
    »Ich fühle … nichts«, sprach er behäbig, als kostete es ihn unendliche Mühe, den Mund zu öffnen und Worte hervorzubringen. »Ich spüre meinen Körper nicht, mein Kopf ist eigenartig leer.« Langsam wanderten die seelenlosen Augen umher und richteten sich auf ihn. »Alles, was ich spüre, ist … schlecht. Ich hasse Dinge, die ich vorher liebte. Und Dinge, die ich hasste«, er blickte an ihm vorbei auf Ingrimmsch, »würde ich am liebsten in Stücke reißen und verschlingen. Es ist besser, wenn ihr mir Fesseln um die Hände legt, weil ich nicht weiß, wie lange ich mich gegen diesen Drang erwehren kann«, presste er hervor. »Das Böse wohnt in mir.«
    »Wenn du es wünschst, machen wir das.« Tungdil nahm den Lederriemen ab, mit dem Goїmgar sich den Schild auf den Rücken hängen konnte, und zurrte die Hände Bavragors auf dessen Rücken zusammen.
    »Fester«, verlangte er knurrend. »Du kannst mir das Blut nicht abstellen, mein Herz schlägt nicht mehr und treibt es nicht mehr durch die Adern.« Erst als Tungdil seinem Wunsch nachgekommen war, wirkte er erleichtert, und die Anspannung fiel von ihm ab. »Weiter.« Er schaute Tungdil an. »Wenn ich meine Arbeit beendet habe, musst du mir den Kopf abschlagen. Ich will nicht als Diener des Toten Landes enden und auf ewig durch die verlassenen Stollen der Fünften irren oder Menschen töten, nur weil es mir der Schrecken aus dem Norden befiehlt.«
    »Kein Zwerg soll der finsteren Macht dienen«, versprach ihm Tungdil. »Ich werde deinen Wunsch erfüllen.«
    »Und du«, rief der Steinmetz Ingrimmsch zu, »kommst mir nicht zu nahe. Meine Zähne würden sich voller Freude in deine Kehle bohren und sie zerfetzen!« Er senkte den Kopf; das rotbraune Auge funkelte voller Grausamkeit, ehe er sich rasch wegdrehte und in den Schnee schaute. Dann setzte er einen Fuß vor den anderen. »Kommt. Ich möchte nicht länger als nötig ein Ding ohne Seele sein.«
    Auf einen Wink Andôkais hin übernahm Djer_n die Aufgabe des Aufpassers. Er schritt hinter dem Verwandelten her und bildete eine eiserne Schutzwand, an der die Zähne Bavragors scheitern würden.
     
    *
     
    Sonnenumlauf für Sonnenumlauf stapften sie durch die endlosen Weiten von Tabaîn. Die Ährenebene, wie sie im Sommer genannt wurde, war so kalt, dass alles, was längere Zeit regungslos blieb, zu Eis erstarrte.
    Tungdil erinnerte sich gelesen zu haben, dass die Helligkeit, die vom Schnee ausging, die Augen angriff und sogar dauerhaft verletzen konnte. Daher ordnete er an, Augenbinden mit winzigen Schlitzen zu tragen, um sich auf diese Weise vor der Blindheit zu schützen.
    Es war ein mühsamer Marsch. Die Einzigen, denen es nichts auszumachen schien, waren Djer_n und der untote Bavragor, die ihnen einen Weg durch die Schneeverwehungen bahnten. Ihr Proviant gefror und musste abends am Feuer langwierig aufgetaut werden, ehe man ihn verzehren konnte. Ohne die wärmenden Kleider, die sie von Xamtys erhalten hatten, wären sie sicherlich erfroren.
    Ingrimmsch wurde immer unruhiger, er wollte kämpfen, Bavragor dagegen hatte alles verloren, was ihn früher ausgemacht hatte. Er trank nicht mehr, er sang nicht mehr, er lachte nicht mehr und glotzte nur stur geradeaus. Seinen Hunger stillte er mithilfe eines gefangenen Schneehasen, den er bei lebendigem Leib verschlang; nur das Fell und die ausgesogenen Knochen blieben übrig. Sein

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