Die Zwerge
gieriges Schmatzen und das Krachen der Knochen machten Goїmgar noch ängstlicher, dessen Hand nun stets am Griff seines Kurzschwertes lag.
Das Graue Gebirge schob sich näher und näher. Die Gipfel erweckten bald den Eindruck, zum Greifen nah zu sein, und dennoch dauerte es lange, bis sie sich durch Tabaîn gekämpft hatten, die Grenze zu Gauragar überschritten und nach weiteren anstrengenden Wandertagen in den Ausläufern des bleifarbenen Massivs standen.
Sie trafen weder auf Orks noch auf andere Scheusale, nur gelegentlich auf ihre Spuren. Gewaltige Heeresverbände mussten sich in den Süden aufgemacht haben, denen sie immer um Haaresbreite entgingen.
Schließlich näherten sie sich dem ersten Verteidigungsring der Festung der Fünften; schon von weitem erkannten sie, dass hier niemand stand, um Eindringlinge aus dem Geborgenen Land abzuwehren.
Die Wesen aus dem Norden hatten keinen Stein auf dem anderen gelassen, Mauern waren eingerissen und Türme abgetragen worden, damit nichts mehr an die Macht der ehemaligen Bewohner erinnerte. Tungdil und die anderen konnten sich nicht einmal mehr vorstellen, wie es zu Lebzeiten Giselbart Eisenauges, dem Stammvater der Fünften, im Grauen Gebirge ausgesehen haben musste, denn das vollkommene Vernichtungswerk der Bestien ließ es nicht zu. Die Fragmente zeugten allerdings von großer Handwerkskunst der Erbauer. Nun waren aus den kunstfertig errichteten Verteidigungsanlagen traurige Ruinen geworden, deren Anblick die Zwerge schmerzte.
Dennoch trauten sie dem trügerischen Frieden nicht, als sie sich den steilen Pfad hinaufschleppten und dem Einlass näherten.
»Seid leise«, mahnte Ingrimmsch. »Narmora und ich sehen nach, ob sie tatsächlich keine Aufpasser aufgestellt haben.«
Die beiden huschten davon und bewegten sich im Schutz der grauen Felsen und Mauerfragmente, die aus dem Schnee herausragten, auf das geöffnete, haushohe Tor zu, das unmittelbar in den Berg hineinführte.
Tungdil schaute und hörte sich um. Der eisige Wind pfiff und säuselte an den zerklüfteten Wänden eine zufällige Melodie. Eiszapfen hingen wie gläserne Stalaktiten an den Bergvorsprüngen, und ein Wasserfall, fünfzig Schritt von ihnen entfernt zu ihrer Linken, war zu einer bizarren Skulptur gefroren.
Nichts, keine Orks, keine Oger, keine Albae oder sonstige Angreifer.
»Seid leise, hat er gesagt«, lachte Goїmgar bitter. »Der sollte sich selbst mal zusehen und zuhören.«
»Eine Ausgeburt an Grazie ist er jedenfalls nicht, auch wenn der Vergleich mit der reizenden Narmora ein wenig unlauter ist«, bestätigte Rodario.
Tungdil sah zu, wie sie sich anpirschten. Der Zwerg nutzte seine geringe Größe aus, während die Halbalbin elegant wie eine Tänzerin zwischen den Blöcken hin und her sprang. Das Weiß unter ihren Füßen gab keinen verräterischen Laut von sich, sie schien leicht wie eine Feder darüber zu schweben. Boїndils Kettenhemd dagegen lärmte regelrecht, obwohl er einen Pelz darüber trug.
Sie gelangte als Erste an den Eingang, presste sich an die Wand und lauschte in den nachtdunklen Stollen hinein, ehe sie sich hineinbegab. Ihre Silhouette verschmolz mit der Finsternis, und sie verschwand.
Furgas wollte gar nicht mehr damit aufhören, an seinen Handschuhen herumzunesteln. »Sie war schon immer zu wagemutig«, raunte er.
»Ach, Unsinn. Sie ist eine Frau, die um ihre Fähigkeiten weiß und sich darauf verlässt, alter Freund«, beruhigte ihn Rodario. »Du weißt, was sie alles vor unserer gemeinsamen Zeit am Theater gemacht hat. Da wird sie mit den paar Herausforderungen hier gewiss auch fertig werden.«
»Ich will nicht wissen, was sie gemacht hat«, sagte Goїmgar rasch. »Sie ist mir auch so unheimlich genug.«
Inzwischen erreichte auch Boїndil den Eingang ins Reich derer, die vor mehr als eintausend Zyklen gegen die Macht des Toten Landes unterlagen. Ein wenig ratlos stand er herum und spähte umher, ohne etwas Gefährliches entdecken zu können.
Plötzlich glitt Narmora aus dem Dunkel. Die Schwärze des gigantischen Tunnels haftete wie Spinnweben an ihr, umschmeichelte sie und gab sie nur zögerlich frei. Sie winkte ihnen, ihre gelöste Haltung verriet, dass es nichts gab, wovor sie sich fürchten mussten.
»Habt ihr das gesehen? Wie Tinte, die von ihr abperlt«, raunte Goїmgar verschreckt. »Das …«
»Halbmagie. Es ist eine angeborene Fertigkeit«, schätzte die Maga. »Die Albae sind Kinder der Dunkelheit.«
»Sie wird gewiss die Seiten wechseln,
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