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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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für den Zustand des einäugigen Zwerges bedeutete. Balyndis fasste die schwielige, rissige Hand und drückte sie aufmunternd, die Sorge schnürte ihre Kehle zu.
    »Ihr könnt ruhig sagen, dass es nicht zum Besten um den alten, singenden Säufer steht«, krächzte Bavragor nach einer Weile. »Ich hatte eh nicht vor, ins Reich der Zweiten zurückzukehren.« Er schaute zu Tungdil. »Doch eigentlich wollte ich im Grauen Gebirge ankommen und meine Aufgabe erfüllen, um ruhmreich zu sterben. Nun ende ich hier, in einer armseligen Scheune, weit weg von meinen geliebten Bergen.«
    Die ersten winzigen Blutstropfen drückten sich durch seine Haut. Aus den Tropfen formten sich Rinnsale, die aufs Stroh fielen und die Halme benetzten. Seine Kleidung sog sich voll.
    »Du wirst nicht sterben«, presste Tungdil, und sein Lächeln, das eigentlich Zuversicht ausströmen sollte, geriet zu einer Grimasse. Er packte die andere Hand des Zwerges. »Du darfst nicht sterben«, setzte er verzweifelt hinterher. »Ohne dich können wir die Feuerklinge nicht fertig stellen! Du bist der Beste, den dein Stamm hat.«
    Der Steinmetz schluckte sein Blut, um sprechen zu können. »Doch, ihr werdet sie erschaffen. Und ich werde bei euch sein.« Er blickte zur Tür. »Bringt mich dahin, wo das Tote Land herrscht. Nur auf diese Weise kann ich euch nach meinem Tod von Nutzen sein.«
    »Du … würdest zu einem Untoten«, stieß Boїndil angewidert hervor. »Deine Seele …«
    »Ich kann meine Aufgabe erfüllen, nur das zählt«, polterte Bavragor drauflos und bezahlte das Aufbegehren mit einem neuerlichen Hustenanfall.
    »Aber wer sagt uns, dass du uns nicht hintergehen wirst und versuchst, uns zu töten oder zu fressen, wie es die anderen getan haben?« Ingrimmsch schaute sich um und blickte in die teils betretenen, teils ergriffenen Gesichter.
    »Bindet mich gut fest und wartet«, empfahl er ihnen. »Mein Trotz wird stärker sein als das Verlangen, Böses zu tun. Das Zwergische ergibt sich niemals dem Bösen.« Die Lider flatterten. »Ich glaube, ihr müsst euch beeilen …«, keuchte er, dann schwappte der blutige Mageninhalt aus seinem Mund und sickerte in den kunstvoll rasierten Bart.
    »Djer_n«, rief Andôkai und erteilte ihm Anweisungen. Er packte den sterbenden Zwerg vorsichtig und nahm ihn behutsam auf den Arm, wie eine Mutter ihr Kind in den Schlaf wiegt, dann verließ er den Schober, und sie hörten ihn davonlaufen.
    Seine langen, unermüdlichen Beine trugen Bavragor gen Norden, dorthin, wo das Tote Land bereits seine volle Macht besaß und alles, was darauf starb, zu unheiligem Leben erweckte.
     
    *
     
    Der Rest der Gefährten packte zusammen und folgte dem Krieger, so schnell es der funkelnde Schnee und die kürzeren Beine der Zwerge erlaubten.
    Tungdil blickte zu den Sternen und weinte stumme Tränen um Bavragor, der sein Wertvollstes opferte, um die Waffe entstehen zu lassen, mit der das Geborgene Land befreit werden konnte. Bei allem Poltern und den Eigenarten des Zwerges hatte er ihn doch in sein Herz geschlossen.
    Er hörte Balyndis neben sich schniefen und wandte sich zu ihr. Sie lächelte ihn mit geröteten Augen an und reichte ihm die Hand. Es war eine Geste, die ihm den Mut zurückgab, den er in der Scheune beinahe verloren hätte.
    Es war viel, im Grunde zu viel geschehen. Aus dem anfänglichen Abenteuer war Größeres und Schrecklicheres für die Beteiligten erwachsen, das verstand inzwischen sogar der einst wichtigtuerische Rodario, der sich mit Bemerkungen zurückhielt und stumm verarbeitete, was sich zugetragen hatte.
    »Ich hoffe, dass die Bewohner des Geborgenen Landes das wert sind, Vraccas«, murmelte Tungdil hinauf zu dem funkelndem Firmament. »Wenn dies alles vorbei ist, werde ich dafür sorgen, dass unser Volk miteinander spricht und nicht länger abgeschottet voneinander in den Gebirgen lebt.«
    Balyndis drückte einmal mehr seine Hand, doch seine Finger öffneten sich, und er eilte an die Spitze des Zuges zu Boїndil. Es war nicht die Zeit, um an etwas anderes als die Feuerklinge zu denken.
    »Sie gefällt dir«, begrüßte ihn der Zwilling und blickte weiterhin geradeaus.
    »Das fehlte mir noch, mich mit dir darüber zu unterhalten.«
    »Gib es ruhig zu. Sie sieht auch sehr gut aus und für einen wie dich, der noch wenig mit Frauen zu schaffen hatte, wird sie einer Tochter Vraccas’ gleichen.«
    »Ich wollte mir darüber eigentlich erst Gedanken machen, wenn wir Nôd’onn besiegt haben. Das Geborgene Land hat

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