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Die Zwischenwelt (German Edition)

Die Zwischenwelt (German Edition)

Titel: Die Zwischenwelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filomena Nina Ribi
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nach oben. Nach einer weiteren halben Stunde kam ich endlich oben an. Ich lief durch das Wasser bis zur „Plattform“, wie wir sie immer genannt hatten: Von einem platten trockenen Fels inmitten des Wassers konnte man hier ins Tal sehen – hundertachtzig Grad Aussicht von Norden über Westen bis nach Süden. Direkt vor mir fiel das Wasser zehn Meter hinunter ins große Wasserbecken. Ich stand da, mein Mund öffnete sich – und er blieb offen. Den großen Kastanienbaum bei der Lichtung, in dessen Rinde Sara ihren Namen geritzt hatte, gab es nicht mehr. An dessen Stelle saß ein Junge, barfuß, mit halblangen Hosen und ohne T-Shirt. Sein Gesicht war voller Sommersprossen und seine Haare waren gepflegt, lang und glatt. Er hielt eine selbstgedrehte Zigarette in der linken Hand und grinste – weit und breit gab es nur Gebüsch.
    „Wo ist der Baum?“, rief ich.
    „Welcher Baum?“, fragte er noch immer lächelnd.
    „Der alte Kastanienbaum, der exakt dort stand, wo du jetzt sitzt!“, erwiderte ich leicht verärgert.
    Der Junge schaute sich amüsiert um. „Da gibt es keinen, oder? Ich sehe auf jeden Fall keinen.“
    „Was machst du hier? Ich habe dich noch nie hier gesehen.“
    „Wieso fragst du? Ist es DEIN Platz? Freut mich auch, mein Name ist Christoph!“ Er stand auf und kam zur Plattform.
    Er wirkte sympathisch, aber trotzdem sagte ich mein „Laura!“ mit mies gelaunter Stimme.
    Christoph stand nahe vor mir und machte ein ernstes Gesicht. Er schaute mir tief in die Augen und sagte dann: „Wahrscheinlich wurde dein Baum assimiliert. Von den Borg!“ Dann begann er, zu lachen. Ich musste auch lachen – anscheinend war Christoph ein Fan von Star Trek.
    Zu der Zeit war mir noch nicht wirklich klar, was geschehen war – nur dass Sara und alles, was mit ihr zu tun hatte, verschwunden war. Die komplette Aufklärung ließ dann auch auf sich warten, beinahe dreißig Jahre lang. Immerhin – besser spät als nie. Kurz nach dem Spaziergang im Kastanienwald erhielt ich zumindest einige Erklärungen von einer Frau namens Aurélie – das war Saras Mutter.

Der erste Traum
    F iona stand immer noch unter Schock, als sie mit ihrem Bruder die Wohnung ihres Vaters aufräumte. So kahl hatte sie sie nicht in Erinnerung. Viele Möbelstücke waren von Markus und Sibylla schon weggegeben worden – was zurückblieb, waren die Reste, die niemand wollte.
    Kurz nach Ernsts Tod war Fiona nicht in der Lage gewesen, irgendwelche Erinnerungen an ihn zu behalten. Sie war noch voller Wut und gleichzeitig hätte sie es lieber gehabt, wenn seine Wohnung genau so geblieben wäre, wie sie gewesen war, als er noch gelebt hatte. Erst jetzt, nach zwei Monaten, als Wut und Trauer sich ein wenig gesetzt hatten, wurde es ihr möglich, seine schon fast leer geräumte Wohnung zu betreten.
    Anschließend, als sie mit ihrem alten, ratternden Auto für mehr als eine Stunde wieder zu sich nach Hause fuhr, konnte sie an nichts anderes denken als daran, wie sehr sich die Wohnung verändert hatte. Sie sah viel kleiner aus, trotz der Leere. Der alte graue Spannteppich war entfernt worden, an seiner Stelle sah man nun einen glänzenden Holzboden. Das machte den Raum ein wenig heller, aber es störte sie, dass ihr Vater ihr nie von dieser Renovierung berichtet hatte. Es wurde ihr bewusst, dass sie in den letzten Jahren nur wenige Worte miteinander ausgetauscht hatten. Und jetzt war er weg, für immer. Es schien ihr immer noch unwirklich, dass er tot war.
    Es war ein Spätnachmittag im Januar, die Autobahn durchquerte einen dunklen Wald und führte dann über eine Ebene voller Felder. Fiona fuhr in Richtung Sonne. Diese war am Horizont bereit, zu verschwinden – aber nicht, bevor es dieses fantastische Farbenspiel gab. Dunkelgraue horizontale Streifen alternierten mit knallroten und gelben. Anscheinend gab es wieder mal zu viel Feinstaub in der Luft, denn der Sonnenuntergang war einfach atemberaubend. Die Tränen, die sich noch an Fionas Augenlidern festhielten, fielen jetzt herunter. So ein schönes Naturspektakel – und ihr Vater Ernst war nicht mehr da, um es zu sehen. Am liebsten wäre sie geradeaus gefahren, direkt in die Sonne, direkt in die Leitplanke.
    Als sie zu Hause ankam, war es schon lange dunkel. Sie stellte den trockenen roten Ahorn, der wie ein frustrierter Bonsai aussah, weil er immer zurückgeschnitten und gestutzt worden war, auf ihre Terrasse. Dann blieb sie einen Moment lang stehen und begutachtete die Pflanze. „Der ist sicher

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