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Die Zwischenwelt (German Edition)

Die Zwischenwelt (German Edition)

Titel: Die Zwischenwelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filomena Nina Ribi
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außerdem selbstsicher, gebildet und intelligent, was sie noch gefährlicher machte.
    Fiona hingegen war klein, schüchtern und streng mit sich selbst, was schon an ihrer Frisur erkennbar war. Ihre Haare waren immer fest zusammengebunden, ihre Mundwinkel zeigten nach unten und ihr Nacken war andauernd verspannt – vielleicht von der Last, die sie zu tragen hatte. Sie war streng erzogen worden; Anerkennung oder Komplimente hatte es nur selten gegeben, Kritik dagegen oft. Vater Ernst wollte, dass sie eine Karrierefrau würde, in Sachen Motivation war er aber kein Guru: Wenn sie etwas erreicht hatte, machte er es meistens zunichte und entwertete es. Es war nie genug, was Fiona tat; ihr Vater erwähnte immer irgendjemanden, der es noch besser gemacht hatte. Fiona tat vieles, um die Anerkennung ihres Vaters zu bekommen, aber es war eben nie genug oder gut genug. So war sie aufgewachsen mit einem Gefühl, im Durchschnitt zu versinken und ein unbedeutender Fisch eines großen Makrelenschwarms zu sein. Vater Ernst kümmerte sich um die Arbeit und um das Geld, nicht aber um das emotionale Wohl der Familie. Er hatte durchaus auch seine guten Seiten, aber durch die vielen Streitereien war es Fiona irgendwann nicht mehr möglich gewesen, sie zu sehen.
    Fionas Mutter Martina war eine zierliche Frau. Sie hatte schon genug Probleme mit sich selbst, um die Probleme anderer zu lösen. Sie konnte nicht akzeptieren, dass sie älter wurde und riss sich deshalb täglich die neu wachsenden grauen Haare mit der Pinzette heraus. Meistens äußerte sie ihre Meinung nicht. Nur als sie herausfand, dass Fiona Freundschaft mit Sibylla, der Geliebten des Vaters, geschlossen hatte, verurteilte sie ihre Tochter lautstark. So glich das Klima zu Hause an der Goldküste im Ganzen dem einer Gefriertruhe.
    Als Fiona älter wurde, verstand sie sich mit der Liebhaberin ihres Vaters immer besser und besser. Ihr war bewusst, dass Sibylla die Konkurrentin ihrer Mutter Martina war, aber sie verstand sich eben trotzdem gut mit ihr. Sibylla war zuvorkommend oder sie tat zumindest so, als ob sie es sei. Für Fionas Probleme hatte sie immer ein offenes Ohr, einen aufmunternden Ratschlag oder ein interessantes Sprichwort. Für einige Jahre schien Fionas Welt stabil zu bleiben – bis eines Tages der Streit ausbrach.
    Auf dem Balkon gegenüber war inzwischen auch der letzte mikroskopische Brotkrümel aufgefressen und die letzte wegfliegende Taube hatte nochmals schnell ihren Darm entleert. Nach dem Sturm kehrte nun die Ruhe ein.
    „Hör mal, Fiona!“, sagte ihr Bruder Markus und es klang, als würde es sich um eine Drohung handeln. „Ich habe dir gesagt: Ich mag es nicht, wenn du über Sibylla herziehst. Die Situation ist schon schlimm genug.“
    „Aber siehst du es denn nicht? Sibylla hat dich nur benutzt, um unseren Vater besuchen zu können. Sie ist perfide!“
    „Ich verstehe nicht, was du meinst. Und ich verstehe nicht, wieso du es mir nicht gönnst, Sibylla als Freundin zu haben“, erwiderte Markus kühl.
    „Weil das pervers ist!“, zischte Fiona. „Weil Sibylla wie ein Parasit ist, der den Wirt wechselt, wenn dieser am sterben ist … und überhaupt – das Ganze ist doch ein übler Ödipus-Scherz!“
    „Möchtest du diese Kristallgläser wirklich nicht?“, fragte Markus trocken und mit einem erschreckend echten Lächeln ins Gesicht gestempelt, als ob nichts gewesen wäre.
    „Was ist früher nur geschehen?“, überlegte Fiona. Sibylla war kalkulierend und schlau gewesen. Sie hatte sich bei Fiona beliebt gemacht, indem sie Ernst wiederholt aufgefordert hatte, seine Tochter mehr zu unterstützen. Sie hatte sich wie eine gute Freundin gegeben, um bei Fiona zu punkten und damit die potenzielle Feindin in eine Alliierte umzuwandeln. So erlangte Sibylla mit Fionas Zustimmung Macht über Ernst. Das war wichtig, denn es handelte sich bei dieser Macht um eine Art Beziehungsgarantie und auch eine Garantie für ihre zukünftige finanzielle Sicherheit.
    Aber dann war etwas schiefgegangen. Was Sibylla sicher oft befürchtet hatte, traf eines Tages tatsächlich ein. Ernst machte die Bekanntschaft einer anderen Frau – aus zweien wurden also drei: Seine Ehefrau Martina, seine Geliebte Sibylla und diese dritte Unbekannte. Und auch diese wollte etwas von Ernst. Die dritte Frau schaffte es sogar, dass er nach kurzer Zeit von Zuhause auszog und fortan alleine in einer schönen romantischen Dachwohnung im Zentrum von Zürich wohnte.
    Sibylla hatte jahrelang

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