Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
leiser?«, bellte eine Stimme von oben.
» Klappe, Ceps«, antwortete Lore. » Ich hab hier zu tun.«
» Ich kriege hier einen Ständer! Ist ja widerlich!«
Für Michael fand dieses Gespräch auf einem fernen Planeten statt. Wo alle zusammen schliefen und nur Vorhänge für etwas Privatsphäre sorgten, lernte man, das meiste auszublenden. Aber dieses Gefühl war mehr als das. Während seine Sinne in reiner Körperlichkeit davonflogen, hatte der Sex mit seinem hypnotischen Rhythmus etwas an sich, das ihn zu einer Art Dissoziation trieb. Es war, als trödle sein Geist dem Körper um drei Schritte hinterher und beschäftige sich mit anderen Dingen– unterschiedlichen Sorgen und emotional neutralen Bildern, die vor ihm aufstiegen wie die Blasen von expandierendem Gas in einem Kessel. Eine verrottete Dichtung, die ersetzt werden musste. Der Lieferplan für frisches Rohöl aus dem Depot. Erinnerungen an die Kolonie, an die er sonst nie dachte. Über ihm setzte Lore ihre Reise fort. Michael driftete weiter in dieser Strömung geistiger Untreue, bemühte sich aber, seine Aufmerksamkeit gezielt mit der ihren in Einklang zu bringen. Das war das Mindeste, was er tun konnte.
Und schließlich war es so weit. Lores beschleunigte Leidenschaft siegte. Als sie den Vorhang zur Seite zogen, war Ceps nicht mehr da. Die Uhr über der Luke stand auf 06.30.
» Scheiße.«
Michael schwang die Füße auf den Boden und sprang in seinen Overall. Lore schlang ihm von hinten die Arme um die Brust.
» Bleib noch. Ich sorge dafür, dass es sich lohnt.«
» Ich bin in der ersten Schicht. Wenn ich zu spät komme, reißt Karlovic mir den Arsch auf.« Er schob die Füße in die Stiefel und drehte den Kopf nach hinten, um sie zu küssen, und er schmeckte Salz und Sex und etwas, das nur sie selbst war. Michael hätte nicht gerade behauptet, dass es Liebe war, was sie verband. Sex war ein Zeitvertreib, aber im Laufe der Monate hatte ihre Beziehung sich nach und nach weiterentwickelt und war inzwischen mehr als nur Gewohnheit.
» Du hast wieder nachgedacht, nicht wahr?«
» Wer, ich?«
» Lüg nicht.« Ihr Ton war nicht bitter. Sie korrigierte ihn nur. » Weißt du, eines Tages werde ich dir sämtliche Sorgen aus dem Leib vögeln.« Seufzend ließ sie ihn los. » Ist okay. Geh.«
Er stand von der Koje auf und nahm Helm und Handschuhe vom Pfosten. » Sehe ich dich später?«
Sie hatte sich schon wieder hingelegt. » Darauf kannst du dich verlassen.«
Als Michael die Baracke verließ, stieg die Sonne eben über dem Golf herauf und ließ das Wasser schimmern wie ein gehämmertes Blech. Sie hatten zwar schon Anfang Oktober, aber es würde wieder ein heißer Tag werden, und die Meeresluft war beißend wie immer vom Salz und von dem Schwefelgestank des brennenden Butans. Mit knurrendem Magen– das Frühstück musste warten– marschierte er zügig über das Gelände, vorbei am Marketender und an der Hantelstation und der DS -Baracke zu der Nissenhütte, wo die Morgenschicht sich versammelt hatte. Karlovic, der Chefingenieur, las mit lauter Stimme die Tagesaufgaben von seinem Einsatzplan ab. Er warf Michael einen eisigen Blick zu.
» Haben wir Sie bei Ihrem Schönheitsschlaf gestört, Fisher? Unverzeihlich.«
» Okay.« Michael zog den Reißverschluss an seinem Overall hoch. » Tut mir leid.«
» Wird Ihnen gleich noch mehr leidtun. Sie werden die Bombe anheizen. Ceps ist Ihr Partner. Sehen Sie zu, dass Sie Ihre Crew nicht in die Luft jagen.«
Destillationskolonne Nr. 1, bekannt als » die Bombe«, war der älteste der Türme. Sein massiger Rumpf wurde von einer Kombination aus Schweißnähten, Drähten und Gebeten zusammengehalten. Alle sagten, es sei nur eine Frage der Zeit, wann sie stillgelegt werden oder eine Crew halb bis zum Mars schießen würde.
» Danke, Boss. Wirklich sehr nett.«
» Nicht der Rede wert.« Karlovic ließ seinen Blick über die Gruppe wandern. » Okay, Leute. Sieben Tage bis zum Abtransport. Ich will die Tanklaster voll sehen, Männer. Und Sie, Fisher– warten Sie noch einen Moment. Ich will mit Ihnen reden.«
Die Crews machten sich auf den Weg zu ihren Kolonnen, und Michael folgte Karlovic. Herrgott, was war jetzt schon wieder? Er war höchstens zwei Minuten zu spät gekommen, und dafür lohnte sich doch wohl keine Standpauke.
» Hören Sie, Dan, es tut mir leid wegen der…«
Karlovic ließ ihn nicht ausreden. » Vergessen Sie das, darüber will ich nicht reden.« Er zog seine Hose hoch und ließ seine
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