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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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Schlafwandelte sie?
    Etwas streifte ihr Bein, und sie erschrak. Als sie hinunterschaute, sah sie Mouser, der sie mit seinen milchigen Augen anstarrte. Er fing an, laut zu miauen. Dann trabte er auf den Damm zu, und nach ein paar Schritten blieb er stehen und sah sich nach ihr um.
    Was er wollte, war klar. Amy folgte ihm. Der alte Kater führte sie zu einem kleinen Betonbau am Fuße des Dammes. Die Tür mit dem schweren Riegel war geschlossen; sie war alt und verrostet und sah aus, als sei sie seit Jahren nicht geöffnet worden. War es eine technische Anlage? Mouser stand vor der Tür und miaute.
    Sie öffnete die Tür und trat ein. Die Dunkelheit war undurchdringlich. Wie sollte sie hier den Weg finden? Sie tastete an der Wand entlang nach einem Schalter. Da. Eine Reihe von Lichtern erwachte flackernd zum Leben. In der Mitte des kleinen Raums war der kreisrunde Einstieg zu einer Wendeltreppe mit einem Eisengeländer. Mouser stand auf der obersten Stufe. Er schaute zu ihr zurück, miaute noch einmal hartnäckig und lief hinunter.
    Die Treppe verschwand spiralförmig nach unten im Dunkeln. Unten stand Amy wieder in tiefschwarzer Nacht. Noch einmal tastete sie nach einem Lichtschalter, und dann sah sie, wo sie war. Eine weite Röhre führte nur in eine Richtung, nämlich vorwärts. Mouser war ihr schon ein gutes Stück voraus, und sein langgestreckter Schatten glitt über die Wände. Seine Eile war ansteckend und zog sie tiefer hinein in diese unterirdische Welt. Sie kamen zu einer Luke, die mit einem radförmigen Schloss verriegelt war. Auf dem Boden daneben lag ein Stück Rohr. Amy schob es zwischen die Speichen des Rades und drehte es; die Luke schwang auf, und sie sah eine Leiter, die weiter nach unten führte. Sie sah Mouser an, und der blickte skeptisch zurück.
    Ohne mich, fürchte ich. Von jetzt an bist du allein.
    Sie stieg hinunter. Etwas erwartete sie am Fuße der Leiter. Sie spürte seine Anwesenheit tief in ihren Knochen. Etwas Schreckliches, Trauriges, Sehnsuchtsvolles. Ihr Fuß berührte den Boden. Hier war wieder eine Tunnelröhre, weiter noch als die erste. Fern am Ende sah sie einen kreisrunden Lichtfleck, und jetzt wusste sie, wo sie war: in einem der Ablaufrohre. Was sie dort hinten sah, war das Mondlicht. Sie ging auf den matten Schimmer zu, als ein Schatten darüber hinweghuschte. Kein Schatten– eine Gestalt.
    Und sie wusste es.
    Amy, Amy, Tochter meines Herzens.
    – Vater.
    Amy, ich bin hier.
    Er griff durch das Gitter mit langer Hand, die Finger mit den gebogenen Krallen ausgestreckt. Sie trat näher und hob selbst die Hand, und sie berührten einander. Seine Finger schoben sich zwischen ihren hindurch und umschlossen sie. Ihre Augen schwammen in Tränen.
    Amy, ich erinnere mich. Ich erinnere mich an alles.
    – Vater, was passiert hier? Bitte sag es mir.
    Meine tapfere Amy. Die einzige Amy auf der ganzen Welt. Alle deine Fragen werden beantwortet werden. Er wartet auf dich, auf dem Schiff. Ich werde dir den Weg zeigen, wenn es so weit ist.
    – Wann? Wann ist es so weit?
    Bald, sagte Wolgast. Sehr, sehr bald.

V
    Die Oil Road
    Kann ich sehen fremde Pein und nicht selbst voll Kummer sein? Kann ich sehen fremden Schmerz, dass nicht Mitleid fühlt mein Herz?
    William Blake, »On Another’s Sorrow«



29
    Raffineriekomplex Freeport, Texas
    Michael Fisher, Ölhand erster Klasse– Michael der Clevere, Überbrücker der Welten–, erwachte aus einem tiefen, traumlosen Schlaf mit dem unverkennbaren Gefühl, dass jemand ihn fickte.
    Er öffnete die Augen. Lore saß rittlings und mit durchgebogenem Rückgrat auf ihm, und ihre Stirn war überzogen von glänzendem, sexbefeuertem Schweiß. Verdammt, dachte er, hatten sie das nicht gerade erst getan? Genau gesagt, fast die ganze Nacht? Kolossal, begeistert und in sämtlichen Stellungen, die ihnen die menschliche Physiologie in einer Koje von der Größe eines Sargs gestattete?
    » Guten Morgen«, verkündete sie strahlend. » Es macht dir hoffentlich nichts aus, dass ich ohne dich angefangen habe.«
    Na, von mir aus, dachte Michael. Es gab schlechtere Methoden, den Tag zu beginnen. An ihren roten Wangen sah er, dass Lore schon ziemlich weit war, und wenn er es sich recht überlegte, war sein Rückstand nicht allzu groß. Sie hatte angefangen, sich in den Hüften zu wiegen, und das Gewicht ihres Geschlechts schob ihn hin und her wie die Wellen an einem Strand, die kamen und gingen.
    » Nicht so schnell, Mister.«
    » Herrgott, geht’s ein bisschen

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