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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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über Amys Aufgaben– sie arbeitete in der Küche, brachte den kleinsten Kindern das Lesen bei und tat, wie sie selbst sagte, » alles, was sonst getan werden muss«. Peter berichtete ihr von den andern, allerdings nur ganz flüchtig: Erst wenn die Kinder zu Bett gegangen wären, würden sie ernsthaft miteinander reden können. Caleb an seiner Seite war in eine lebhafte Unterhaltung mit einem anderen Jungen vertieft. Peter konnte nur oberflächlich folgen, aber es ging um Springer und Damen und Bauern. Als der andere Junge den Tisch verlassen hatte, fragte er Caleb, worüber sie gesprochen hätten.
    » Über Schach.«
    » Schacht?«
    Caleb verdrehte die Augen. » Nein, Schach. Das ist ein Spiel. Ich kann es dir beibringen, wenn du willst.«
    Peter sah Amy an, und sie lachte. » Du wirst verlieren.«
    Nach dem Essen und dem Abwaschen gingen sie zu dritt in den Gemeinschaftsraum. Caleb holte das Brett und erklärte die Namen der einzelnen Figuren und die Züge, die man damit machen konnte. Als er bei den Springern angekommen war, schwirrte Peter der Kopf.
    » Das kannst du wirklich alles im Kopf behalten? Wie lange hast du gebraucht, um das Spiel zu lernen?«
    Caleb zuckte unschuldsvoll die Schultern. » Nicht lange. Es ist ziemlich einfach.«
    » Es klingt aber nicht einfach.« Er drehte sich zu Amy um, die zurückhaltend lächelte.
    » Sieh mich nicht an«, protestierte sie. » Da musst du allein durch.«
    Caleb wedelte mit der Hand über dem Brett. » Du kannst anfangen.«
    Die Schlacht begann. Peter hatte vorgehabt, den Jungen zu schonen– es war schließlich ein Kinderspiel, und zweifellos würde er den Bogen schnell heraushaben–, aber sofort wurde ihm klar, wie sehr er seinen jungen Gegner unterschätzt hatte. Caleb schien seine Taktik vorauszusehen. Er reagierte, ohne zu zögern, und setzte seine Figuren schnell und sicher. In seiner wachsenden Verzweiflung entschied Peter sich anzugreifen und schlug mit seinem Springer einen von Calebs Läufern.
    » Bist du sicher, dass du das tun willst?«, fragte der Junge.
    » Äh… nein.«
    Caleb studierte das Brett und stützte das Kinn auf beide Handballen. Peter spürte den komplexen Gang seiner Gedanken: Der Junge entwickelte eine Strategie und sah eine Serie von Zügen und Gegenzügen im Geiste vor sich. Mit fünf Jahren, dachte Peter. Erstaunlich.
    Caleb rückte mit seinem Turm um drei Felder vor und nahm ihm den zweiten Springer, den Peter versehentlich ungedeckt gelassen hatte. » Jetzt pass auf«, sagte er.
    Ein kurzer Zugwechsel, und Peters König war umzingelt. » Schachmatt«, verkündete der Junge.
    Peter starrte verzweifelt auf das Brett. » Wie hast du das so schnell geschafft?«
    Amy lachte neben ihm. Es klang warm und ansteckend. » Ich hab’s dir gesagt.«
    Caleb grinste breit. Peter begriff, was passiert war: Erst das Schwimmen, jetzt das hier. Sein Neffe hatte den Spieß mühelos umgedreht und ihm gezeigt, was er konnte.
    » Man muss nur vorausdenken«, erklärte Caleb. » Versuchen, es wie eine Geschichte zu sehen.«
    » Sag mir die Wahrheit. Wie gut kannst du es?«
    Caleb zuckte bescheiden die Achseln. » Früher konnten ein paar größere Kinder mich schlagen. Aber jetzt nicht mehr.«
    Peter war stolz. Noch nie im Leben hatte er so gern verloren. » Ist das wahr? Na, dann stell die Figuren wieder auf, Freundchen. Ich will Revanche.«
    Caleb hatte seinen dritten Sieg hintereinander errungen– und jeder war unbarmherziger und entschiedener–, als die Glocke ihn in den Schlafsaal rief. Die Zeit war allzu schnell vergangen. Amy ging in den Schlafsaal der Mädchen und überließ es Peter, den Jungen zu Bett zu bringen. Im Schlafsaal zog Caleb sein Nachthemd an und kniete neben seiner Pritsche auf dem Steinboden nieder. Rasch faltete er die Hände und begann eine lange Litanei von » Gott segne«, die mit » meine Eltern im Himmel« begann und mit Peter endete.
    » Du kommst immer als Letzter«, sagte der Junge und kletterte in sein Bett. » Du sollst auch beschützt werden.«
    » Und wer ist Mouser?«
    Mouser war der Kater. Peter hatte das arme Tier im Gemeinschaftsraum auf einem Fenstersims liegen sehen, ein klägliches Lumpending, dessen Haut über den spröden alten Knochen hing wie Wäsche an der Leine. Peter zog Caleb die Decke bis unters Kinn, beugte sich über ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. Schwestern gingen zwischen den Reihen der Betten hin und her und brachten die anderen Kinder zur Ruhe. Das Licht war schon gelöscht

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