Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
Wind dreht, kommen dir die Tränen. Weht den ganzen Scheiß vom Kanal herunter. Komm, ich zeige dir alles.«
Ihre erste Station war die Unterkunft, ein Hohlblockkasten mit einem rostigen Blechdach. Schlafkojen mit Vorhängen säumten die Wände. Ein massiger Mann mit schmalem Gesicht saß an einem Tisch in der Mitte des Raumes und schob einen Satz Spielkarten hin und her.
» Das ist Juan Sweeting, mein zweiter Mann«, sagte Michael. » Man nennt ihn Ceps.«
Sie gaben einander die Hand, und der Mann begrüßte ihn mit einem Grunzen.
» Woher kommt der Name Ceps?«, fragte Peter. » Den hab ich noch nie gehört.«
Der Mann winkelte die erhobenen Arme an und ließ die Bizepsmuskeln zur Größe von Grapefruits anschwellen.
» Ah«, sagte Peter, » verstehe.«
» Keine Sorge«, sagte Michael, » seine Manieren sind nicht die besten, und beim Lesen bewegt er die Lippen, aber er benimmt sich ganz gut, solange man nicht vergisst, ihn zu füttern.«
Eine Frau kam aus einer der Kojen; sie trug nur Unterwäsche und gähnte in die Faust. » Mein Gott, Michael, ich hab versucht, ein bisschen zu schlafen.« Peter staunte, als sie Michael die Arme um den Hals schlang und ein gieriges Lächeln auf ihrem Gesicht erstrahlte. » Es sei denn natürlich…«
» Nicht jetzt, mi amiga.« Michael befreite sich sanft aus ihrer Umarmung. » Falls du es nicht bemerkt hast, wir haben Besuch. Lore, das ist Peter. Peter– Lore.«
Sie hatte eine schlanke, kräftige Figur und sonnengebleichtes, kurz geschnittenes Haar. Sie war attraktiv auf eine unkonventionelle, irgendwie männliche Art und strahlte eine unverhohlene, beinahe raubtierhafte Sinnlichkeit aus.
» Du bist das?«
» Ja.«
Sie lachte wissend. » Na, dann viel Glück, mein Freund.«
» Lore ist eine Ölhand in vierter Generation«, erklärte Michael. » Sie trinkt das Zeug praktisch.«
» Man schlägt sich so durch«, sagte Lore und wandte sich an Peter. » Dann kennt ihr beide euch wohl schon ein Weilchen. Mädchen sind neugierig. Wie war er denn so?«
» Ungefähr der gescheiteste Typ weit und breit. Alle nannten ihn ›Akku‹. Das war sozusagen sein Spitzname.«
» Und ein ziemlich blöder. Herzlichen Dank auch, Peter.«
» Akku«, wiederholte Lore, als schmecke sie den Namen auf der Zunge. » Weißt du, ich glaube, das gefällt mir irgendwie.«
Ceps, der am Tisch sitzen geblieben war und noch nichts gesagt hatte, stöhnte im Falsett. » O Akku, o Akku, bei dir bin ich ganz Frau …«
» Haltet die Klappe, alle beide.« Michaels rotes Gesicht passte nicht zu seiner neugefundenen Männlichkeit, doch Peter sah ihm an, dass er diese Art Aufmerksamkeit auch genoss. » Wie alt seid ihr? Dreizehn? Komm, Peter.« Er schob ihn zur Tür. » Wir lassen diese Kinder in Ruhe.«
» Bis später, Lieutenant«, rief Lore vergnügt, als sie hinausgingen. » Ich will Geschichten hören.«
In der zunehmenden Nachmittagshitze ging Michael mit Peter umher und zeigte ihm die Umgebung. Er führte ihn auch zu einem der Türme und erklärte ihm das Raffinationsverfahren.
» Das klingt ziemlich gefährlich«, sagte Peter.
» Manchmal passiert was, ja.«
» Und wo ist die Reserve?« Das Öl, wusste Peter, kam aus einem Lager tief unter der Erde.
» Ungefähr fünf Meilen weiter nördlich von hier. Genau gesagt, ist es ein natürlicher Salzstock, der zu den alten Strategischen Ölreserven gehört. Öl schwimmt; also pumpen wir Seewasser hinein, und schon kommt es raus.«
Sein Freund hatte sich einen leichten texanischen Tonfall angewöhnt, bemerkte Peter.
» Wie viel ist denn noch da unten?«
» Noch ’ne ganze Masse. Nach unseren Schätzungen genug, um uns noch die nächsten fünfzig Jahre hier beschäftigt zu halten.«
» Und wenn es weg ist?«
» Dann suchen wir neues, schätze ich. Am Houston-Schiffskanal entlang gibt es jede Menge Lagertanks. Die Gegend da oben ist total vergiftet, und es wimmelt von Dopeys, aber wir könnten uns da eine Zeitlang über Wasser halten. Das zweitnächste Lager ist Port Arthur. Es wäre nicht leicht, den Betrieb dahin zu verlegen. Wenn wir allerdings genug Zeit hätten, wäre es zu schaffen.« Er hob fatalistisch die Schultern. » So oder so, ich glaube nicht, dass ich noch lange genug da bin, um mir darüber den Kopf zu zerbrechen.«
Er habe noch eine Überraschung für ihn, verkündete Michael dann und führte Peter in die Waffenkammer, wo er ein Schrotgewehr holte, und weiter zum Fuhrpark, wo er einen Pick-up auswählte. Er klemmte das
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