Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
worden.
» Wann kommst du wieder, Onkel Peter?«
» Ich weiß es nicht genau. Bald, hoffe ich.«
» Können wir dann wieder schwimmen gehen?«
Ein warmes Gefühl breitete sich in seinem Körper aus. » Nur, wenn du mir versprichst, dass wir auch wieder Schach spielen. Ich glaube, ich hab’s noch nicht ganz begriffen. Ich könnte ein paar Tipps gebrauchen.«
Der Junge strahlte. » Versprochen.«
Amy erwartete ihn im leeren Gemeinschaftsraum. Der Kater strich um ihre Füße herum. Peter musste sich um 21.00Uhr in der Kaserne zurückmelden. Sie hatten also nur ein paar Minuten Zeit füreinander.
» Das arme Ding«, sagte Peter. » Warum schläfert ihn niemand ein? Es kommt mir grausam vor.«
Amy strich dem Kater über die Wirbelsäule. Ein leises Schnurren kam aus dem bebenden Körper, als er ihr den Rücken entgegenkrümmte. » Seine Zeit ist vorüber, schätze ich. Aber die Kinder lieben ihn über alles, und die Schwestern halten nichts davon: Nur Gott darf ein Leben nehmen.«
» Sie waren offensichtlich noch nie in New Mexico.«
Das war scherzhaft gemeint– aber nicht nur. Sie saßen einander gegenüber an einem kleinen Tisch, und Amy betrachtete ihn teilnahmsvoll. » Du siehst besorgt aus, Peter.«
» Es läuft nicht so gut da draußen. Willst du es genauer wissen?«
» Vielleicht ein andermal.« Sie schaute ihm forschend ins Gesicht. » Er liebt dich, weißt du. Er redet dauernd von dir.«
» Wenn du so etwas sagst, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Aber wahrscheinlich habe ich es verdient.«
Sie hob Mouser auf ihren Schoß. » Er versteht es ja. Ich sag’s dir nur, damit du weißt, wie wichtig du ihm bist.«
» Und du? Geht es dir hier gut?«
Sie nickte. » Im Großen und Ganzen schon. Ich mag die Leute hier– die Kinder, die Schwestern. Und da ist natürlich Caleb. Vielleicht zum ersten Mal im Leben fühle ich mich… ich weiß es nicht. Nützlich. Es ist schön, einfach ein gewöhnlicher Mensch zu sein.«
Peter staunte über die entspannte Offenheit dieses Gesprächs. Irgendeine Schranke zwischen ihnen war gefallen. » Wissen die anderen Schwestern Bescheid? Abgesehen von Schwester Peg, meine ich.«
» Ein paar. Vielleicht vermuten sie auch nur etwas. Ich bin seit fünf Jahren hier, und sie müssen merken, dass ich nicht älter werde. Ich glaube, für Schwester Peg bin ich ein kleines Problem– etwas, das eigentlich nicht zu ihrer Sicht der Dinge passt. Aber sie spricht darüber nicht mit mir.« Amy lächelte. » Immerhin mache ich ja eine kolossale Gerstensuppe.«
Allzu schnell war der Augenblick seines Abschieds da. Amy brachte ihn zur Tür, und er zog das Bündel Geldscheine aus der Tasche.
» Gib das Schwester Peg, okay?«
Amy nickte wortlos und stopfte das Geld in die Rocktasche. Noch einmal zog sie ihn an sich, und diesmal umarmte sie ihn noch heftiger. » Du hast mir wirklich gefehlt.« Ihre Stimme klang gedämpft an seiner Brust. » Sieh dich vor, ja? Versprich es mir.«
Ihre Beharrlichkeit hatte etwas Bedeutungsschwangeres. Ein Gefühl von Endgültigkeit lag darin wie bei einem ernsten Abschied. Sie sprach etwas nicht aus– aber was? Und noch etwas: Ihr Körper strahlte eine fieberhafte Hitze aus. Er spürte, wie sie durch das schwere Tuch seiner Uniform pulsierte.
» Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen. Ich komme schon klar.«
» Ich mein’s ernst, Peter. Wenn irgendetwas passieren sollte, könnte ich es nicht…« Ihre Stimme verklang, als verwehte sie in einem unhörbaren Wind. » Ich könnte es einfach nicht.«
Jetzt war er sicher. Es gab etwas, das sie ihm nicht sagte. Er schaute ihr forschend ins Gesicht. Schweiß glänzte matt auf ihrer Stirn.
» Fühlst du dich gut?«
Sie nahm seine Hand, hob sie hoch und drückte die Handfläche an seine, sodass ihre Fingerspitzen einander leicht berührten. Es war gleichermaßen eine Geste des Zusammenseins und des Abschieds, der Verbindung und der Trennung.
» Weißt du noch, wie ich dich geküsst habe?«
Sie hatten nie darüber gesprochen– von diesem kurzen, vogelhaften Kuss in der Mall, den sie ihm gegeben hatte, als die Virals auf sie zuströmten. Seitdem war viel passiert, aber Peter hatte es nicht vergessen. Wie sollte er auch?
» Ich habe oft darüber nachgedacht«, gestand er.
Ihre erhobenen Hände schwebten in der Dunkelheit zwischen ihnen. Es war, als versuchte sie eine Bedeutung zu erahnen, die sie selbst in den Raum gestellt hatte. » Ich war so lange allein gewesen. Ich kann es nicht einmal
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