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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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seltsam unter ihm und reagierte mit träger Verzögerung auf sein Gewicht. Er klammerte sich am Rand fest und versuchte, das Boot mit seiner Willenskraft zur Ruhe zu bringen. » Und du weißt wirklich, wie das geht?«
    Michael lachte leise. » Sei kein Baby. Hilf mir, das Segel zu hissen.«
    Rasch ging er die Grundlagen durch: Segel, Ruder, Pinne, Großschot. Er machte die Leine los, kraxelte nach hinten zur Ruderpinne, tat irgendetwas, wodurch das Segel sich plötzlich blähte, und plötzlich waren sie unterwegs und rauschten mit erstaunlicher Geschwindigkeit vom Anleger weg.
    » Wie findest du es?«
    Peter beäugte nervös das zurückweichende Ufer. » Ich gewöhne mich daran.«
    » Überleg doch«, schlug Michael vor, » zum ersten Mal in deinem Leben bist du an einem Ort, wo kein Viral dir etwas anhaben kann.«
    Peter brauchte einen Augenblick, um diese Vorstellung zu verdauen. » Daran hatte ich noch nicht gedacht.«
    » Für die nächsten zwei Stunden, mein Freund, bist du arbeitslos.«
    Sie kreuzten durch die Bucht. Als das Wasser tiefer wurde, wurde seine moosgrüne Farbe zu einem satten Blauschwarz, und die Sonnenstrahlen blitzten kreuz und quer auf der unregelmäßigen Oberfläche. Unter dem straffen Segel fühlte das Boot sich solider an, und allmählich entspannte Peter sich, wenn auch nicht restlos. Anscheinend wusste Michael, was er tat, aber das Meer war immer noch das Meer.
    » Wie weit bist du mit diesem Ding schon draußen gewesen?«, fragte er.
    Michael spähte nach vorn und blinzelte im Sonnenlicht. » Schwer zu sagen. Fünf Meilen auf jeden Fall.«
    » Was ist mit dem Sperrgürtel?«
    Man nahm allgemein an, dass die Staaten der Welt sich in den ersten Tagen der Epidemie zusammengerottet und den nordamerikanischen Kontinent unter Quarantäne gestellt, die Küsten vermint und jedes Schiff bombardiert hatten, das von dort aus in See stechen wollte.
    » Wenn es ihn da draußen gibt, habe ich ihn noch nicht gefunden.« Michael zuckte die Achseln. » Ich glaube fast, es ist Bullshit, wenn du die Wahrheit wissen willst.«
    Peter beäugte seinen Freund vorsichtig. » Du suchst doch nicht etwa danach, oder?«
    Michael antwortete nicht, aber seinem Gesicht war anzusehen, dass Peter ins Schwarze getroffen hatte.
    » Das ist Wahnsinn.«
    » Genau wie das, was du tust. Und selbst wenn der Sperrgürtel existierte, wie viele Minen könnten da draußen noch herumschwimmen? In hundert Jahren zerfrisst das Meerwasser so gut wie alles. Und das Treibgut hätte sie hochgehen lassen.«
    » Trotzdem ist es tollkühn. Du könntest dich in die Luft sprengen.«
    » Kann sein. Kann auch sein, dass mich einer von diesen Öltürmen morgen ins Weltall schießt. Sicherheit am Arbeitsplatz wird hier nicht besonders großgeschrieben.« Er hob die Schultern. » Aber darum geht’s nicht. Ich glaube nicht, dass das verdammte Ding je existiert hat. Die ganze Küste? Wenn du Mexiko und Kanada dazunimmst, sind das fast 25 0 000Meilen. Das ist unmöglich.«
    » Und wenn du dich irrst?«
    » Dann könnte es sein, dass ich mich eines Tages, wie du sagst, in die Luft sprenge.«
    Peter ließ die Sache auf sich beruhen. Vieles hatte sich geändert, aber Michael war immer noch Michael, ein Mann von unersättlicher Neugier. Sie verließen die Bucht und kamen in offenes Gewässer. Der Wind nahm zu, und die Wellen, funkelnd wie Edelsteine, krachten über den Bug. Peters Magen zog sich zusammen– nicht nur, weil das Boot so stark schaukelte. Hier war so viel Wasser überall.
    » Vielleicht könntest du ausnahmsweise dicht am Land bleiben.«
    Michael korrigierte das Segel, und seine Hand umspannte die Pinne fester. » Ich sage dir, hier draußen, das ist eine völlig andere Nummer. Ich kann es nicht mal erklären. Es ist, als ob alles Schlechte hinter dir zurückbliebe. Du musst es wirklich selbst erleben.«
    » Ich muss allmählich zurück. Ein andermal, ja?«
    Michael warf ihm einen Blick zu und lachte. » Na klar«, sagte er. » Ein andermal.«

32
    Alicia fuhr in Richtung Norden in die weit offene Landschaft hinaus. Der Texas Panhandle: eine endlose Ebene, flach wie ein ruhiger Ozean. Wind wehte über die Spitzen des Präriegrases, der Himmel wölbte sich gewaltig in herbstlichem Blau, und der Horizont ringsum war nur gelegentlich unterbrochen von den Pappeln am Ufer eines Baches, von Pecanbäumen oder langarmigen Weiden, die ihre melancholischen Wedel unterwürfig senkten, wenn sie vorbeifuhr. Tagsüber war es warm, aber nachts ging die

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