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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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alles mit eigenen Augen zu sehen war eine andere Sache. Er fragte sich, ob Michael recht hatte, was ihn betraf. Wie war er nur so prüde geworden?
    » Ist aber kein Mau-Mau, was die da spielen, oder?«, fragte er Michael.
    » Texas Hold’em, mit zwanzig Dollar Einsatz, würde ich sagen. Ein bisschen viel für meinen Geschmack.« Genau wie Peter ließ er seinen Blick durch den Raum wandern und suchte nach Hollis. » Wir sollten versuchen, uns unter die Leute zu mischen. Wie viel Geld hast du?«
    » Gar keins.«
    » Gar keins?«
    » Ich habe alles Schwester Peg gegeben.«
    Michael seufzte und schüttelte den Kopf. » Wie kann es auch anders sein! Auf dich ist Verlass, das muss man wirklich sagen.«
    » Hey, ihr beide«, sagte Lore. » Was für Memmen. Schaut zu, hier könnt ihr was lernen, meine Freunde.«
    Sie marschierte zum nächsten Tisch und setzte sich auf einen Stuhl. Aus der Tasche ihrer Jeans zog sie ein Bündel Scheine, schälte zwei herunter und warf sie in den Pott. Für einen dritten bekam sie ein Schnapsglas, dessen Inhalt sie mit zurückgelegtem Kopf in einem Zug hinunterstürzte. Der Kartengeber verteilte zwei Karten an jeden Spieler, und dann wurden die Einsätze gemacht. In den ersten vier Runden schien Lore sich kaum für ihre Karten zu interessieren. Sie schwatzte mit den anderen Spielern, stieg schnell aus und verdrehte die Augen. Aber in der fünften Runde begann sie, ohne dass ihre Haltung sich sichtbar änderte, die Einsätze in die Höhe zu treiben. Der Stapel auf dem Tisch wuchs zusehends. Peter schätzte, dass da mindestens dreihundert lagen und auf den Gewinner warteten. Einer nach dem andern stieg aus, bis nur noch ein Spieler übrig war, ein dürrer Mann mit pockennarbigen Wangen, der den Overall eines Hydros trug. Die letzte Karte wurde gegeben, und mit versteinertem Gesicht warf Lore noch fünf Scheine auf den Tisch. Der Mann zögerte, schüttelte den Kopf und schob seine Karten zusammen.
    » Okay, ich bin beeindruckt«, sagte Peter, als Lore den Pott zu sich heranharkte. Sie standen ein kleines Stück weit abseits, nah genug, um zuzusehen, ohne dass man es ihnen ansah. » Wie hat sie das gemacht?«
    » Sie mogelt.«
    » Wirklich? Ich hab nichts gesehen.«
    » Es ist eigentlich ziemlich einfach. Die Karten sind alle gezinkt. Unauffällig, aber man kann drauf kommen. Ein Spieler am Tisch spielt in Wirklichkeit für das Haus, sodass es immer seinen Schnitt macht. In den ersten paar Runden findet sie heraus, wer das ist und wie die Karten markiert sind. Dabei schadet es nicht, dass sie eine Frau ist. Hier drin nimmt niemand sie ernst. Alle gehen davon aus, sie macht ihren Einsatz, wenn sie ein gutes Blatt hat, und steigt aus, wenn nicht. Aber drei Viertel der Zeit blufft sie.«
    » Und was passiert, wenn sie merken, was sie tut?«
    » Sie merken’s nicht, jedenfalls nicht gleich. Sie wird noch ein, zwei Runden spielen.«
    » Und dann?«
    » Dann ist es Zeit zum Gehen.«
    Ein plötzlicher Aufruhr lenkte ihre Aufmerksamkeit zum hinteren Teil der Baracke. Eine dunkelhaarige Frau mit zerrissenem Kleid, die Arme vor den entblößten Brüsten gekreuzt, war durch den Vorhang gestürzt und schrie unzusammenhängend. Eine Sekunde später kam eine zweite Gestalt heraus, ein Mann, der mit seiner um die Knöchel zusammengeballten Hose einen komischen Anblick bot. Er schien drei Handbreit über dem Boden zu schweben. Peter sah, dass er an der Faust eines Mannes baumelte, der ihn von hinten gepackt hielt. Als er durch die Luft flog, erkannte Peter ihn; es war der junge Corporal aus Satchs Einheit, der den Transport von Camp Vorhees gefahren hatte. Der andere war ein Berg von einem Mann, und die untere Hälfte seines Gesichts war von einem grau melierten Bart bedeckt. Es war Hollis.
    » Aha«, sagte Michael.
    Mit beeindruckender Lässigkeit zog Hollis den Mann am Kragen auf die Füße. Die Frau schimpfte kreischend und stieß mit dem Finger nach den beiden, als Hollis den Corporal halb stoßend, halb werfend zum Ausgang trieb. Bring die Sau um! Diese Scheiße muss ich mir nicht gefallen lassen! Hast du gehört? Fuck, du bist tot, du Arschloch!
    » Das ist unser Stichwort«, sagte Peter.
    Mit schnellen Schritten gingen sie zur Tür, und Lore folgte ihnen nach draußen. Der Corporal bat mit lauter Stimme verzweifelt um Entschuldigung und versuchte, gleichzeitig seine Hose hochzuziehen und wegzurennen. Wenn Hollis sich durch sein Flehen rühren ließ, war es ihm nicht anzumerken. Die beiden Wachen schauten

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