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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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immer wieder überfahren worden war.
    Die Milch war auch nicht mehr gut. Der Strom war weg, und sie war warm und sauer geworden und fühlte sich klebrig und unangenehm im Mund an. Er versuchte, seine Lucky Charms morgens mit Leitungswasser statt mit Milch zu essen, doch das war nicht das Gleiche, nichts war das Gleiche, alles war anders, weil Momma im Schlafzimmer war. Abends saß er im Dunkeln in seinem Zimmer und hatte die Tür geschlossen. Er wusste, wo Momma die Kerzen aufbewahrte; sie waren in dem Schrank über der Spüle, wo sie auch die Flasche Wodka hatte, den sie brauchte, wenn ihre Nerven nicht mehr mitspielten. Aber Streichhölzer waren nichts für ihn. Sie standen auf der Liste. Es war keine richtige Liste; es waren nur die Sachen, die er nicht tun oder anfassen durfte. Dazu gehörte der Toaster, weil er den Schalter immer wieder herunterdrückte und den Toast verbrannte. Die Pistole in Mommas Nachttisch, weil das kein Spielzeug war; man konnte sich damit umbringen. Die Mädchen in seinem Bus, denn denen würde nicht gefallen, was er am liebsten mit ihnen anstellen würde. Dann dürfte er allerdings auch nicht mehr den Bus Nummer zwölf fahren, und das wäre schlecht. Das wäre das Schlimmste auf der Welt für Danny Chayes.
    Kein Strom bedeutete, kein Fernsehen, und deshalb konnte er auch nicht » Thomas und seine Freunde« gucken. Thomas, die kleine Lokomotive, war etwas für kleine Jungs, das wusste Danny. Momma hatte es ihm schon tausend Mal gesagt, aber der Therapeut, Dr. Francis, meinte, es wäre okay, solange Danny sich auch mal was anderes anschaute. Sein Liebling war James. Danny mochte seine rote Farbe und den dazu passenden Kohlentender und auch den Klang seiner Stimme, wenn er so sprach, wie der Erzähler es tat: so beruhigend, dass es oben in der Kehle kribbelte. Mit Gesichtern hatte Danny seine Mühe, doch die Gesichter vorn auf den Lokomotiven bei » Thomas« waren immer leicht auseinanderzuhalten, und es war komisch, was sie so miteinander machten, die Streiche, die sie gern spielten. Sie stellten die Weiche um, sodass Percy gegen den Kohlenlader stieß. Oder sie gossen Kakao über Gordon, der den Express zog, weil er eine so hochnäsige Lokomotive war. Die Kinder in seinem Bus machten sich manchmal lustig über Danny. Sie nannten ihn Topham Hatt– so hieß der dicke Kontrolleur– und sangen das Lied mit einem Text, der nicht so nett war wie der richtige, aber meistens blendete Danny das einfach aus. Ein Junge war allerdings darunter, der hieß Billy Nice und der war kein bisschen nett. Er war in der sechsten Klasse, musste jedoch ein paarmal sitzengeblieben sein, denn er hatte einen Körper wie ein ausgewachsener Mann. Er stieg jeden Morgen ein und hatte nicht mal ein Schulbuch dabei; er grinste Danny höhnisch an, wenn er die Stufen heraufkam, klatschte die anderen Jungen rechts und links ab, als er durch den Gang nach hinten ging, und zog eine Wolke von Zigarettengeruch hinter sich her.
    Hey, Topham Hatt, wie läuft’s heute so auf der Insel Sodor? Stimmt es, dass Lady Hatt es sich gern von hinten besorgen lässt?
    Har-har-har, lachte Billy dann. Har-har-har. Danny gab nie eine Antwort, denn davon würde alles nur noch schlimmer, und er erzählte auch Mr. Purvis nichts davon, denn er wusste, was der Mann sagen würde. Verdammt noch mal, Danny, wieso lässt du dir das von dem kleinen Scheißer gefallen? Der Himmel weiß, du bist ein schräger Vogel, aber du musst deinen Mann stehen. Du bist der Käpt’n auf dem Schiff. Wenn du eine Meuterei zulässt, geht alles den Bach runter, ehe du dichs versiehst.
    Danny mochte Mr. Purvis, den Fahrdienstleiter. Mr. Purvis war immer freundlich zu Danny gewesen und zu Momma auch. Momma war eine der Frauen in der Cafeteria, und daher kannten sie sich. Mr. Purvis kam dauernd zu ihnen nach Hause und brachte Sachen in Ordnung, zum Beispiel den Müllschlucker oder ein loses Dielenbrett auf der Veranda, obwohl er selber eine Frau hatte, Mrs. Purvis. Er war ein großer, glatzköpfiger Mann, der gern durch die Zähne pfiff und sich dauernd die Hose hochzog. Manchmal kam er sogar abends zu Besuch, wenn Danny im Bett war. Dann hörte Danny den Fernseher im Wohnzimmer, und die beiden lachten und plauderten. Danny hatte solche Abende gern; er fühlte sich glücklich und unbeschwert, bekam den Happy-Klick. Wenn jemand fragte, sagte Momma immer, Dannys Vater sei » von der Bildfläche verschwunden«, und das stimmte genau. Es gab Bilder von Momma im Haus und

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