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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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Zweifel weg. Er sah auf die Uhr: 6Uhr52. Als der große Zeiger auf der Zwölf stand, legte er den Gang ein und fuhr los.
    Anfangs kam es ihm merkwürdig vor, durch die leeren Straßen zu fahren und niemanden zu sehen, aber als Danny sich der ersten Haltestelle näherte– bei den Mayfields, Robert und Shelly–, hatte er den alten Rhythmus wiedergefunden, und es war leicht, sich vorzustellen, heute sei ein ganz gewöhnlicher Tag. Er brachte den Bus zum Stehen. Tja, Robert und Shelly verspäteten sich manchmal. Dann hupte er, und sie kamen aus dem Haus gerannt, und ihre Mutter rief ihnen nach: Seid brav und viel Spaß, und dann winkte sie noch. Das Haus war ein Bungalow, nicht viel größer als der, in dem Danny mit Momma wohnte, aber hübscher– gelb wie ein Kürbis angestrichen und mit einer breiten Veranda, auf der eine Schaukel hing. Im Frühling blühten immer Blumen in den Körben am Geländer. Die Körbe waren noch da, doch die Blumen waren alle verwelkt, und der Rasen musste auch gemäht werden. Danny reckte den Hals, um durch die Frontscheibe nach oben zu schauen. Ein Fenster sah aus, als wäre es aus dem Rahmen gerissen worden. Der dazugehörige Blendladen baumelte herunter wie eine Zunge. Danny hupte und wartete eine Minute. Aber es kam immer noch niemand.
    7Uhr08. Er musste noch weitere Haltestellen anfahren. Er fuhr weiter und lenkte den Bus um einen Toyota Prius herum, der auf der Seite lag. Auf der Straße stieß er noch auf andere Dinge: Da war ein umgekippter, plattgedrückter Polizeiwagen. Ein Krankenwagen. Eine tote Katze. Bei vielen Häusern waren » X«-Zeichen mit Farbe an die Tür gesprüht worden und Buchstaben und Zahlen dazwischen. Als er seine zweite Station erreichte, einen Townhouse-Komplex namens Castle Oaks, hatte er bereits zwölf Minuten Verspätung. Britanny-Maybeth-Joey-Darla-Denise. Er drückte einmal lange auf die Hupe, dann noch einmal. Aber er versprach sich nichts davon. Danny tat es nur der Form halber. Castle Oaks bestand aus rauchenden Ruinen. Der gesamte Komplex war niedergebrannt.
    Die nächsten Stationen– und überall das Gleiche. Er lenkte den Bus auf der Western nach Cherry Creek. Die Häuser hier waren größer, und weite, sanft ansteigende Rasenflächen trennten sie von der Straße. Große, dicht belaubte Bäume spannten ihren getüpfelten Schatten über die Straße. Alles wirkte friedlich. Die Häuser sahen aus wie immer, und Danny konnte keine Toten entdecken. Aber Kinder waren trotzdem keine da.
    Inzwischen hätte er fünfundzwanzig Kids im Bus haben müssen. Die Stille war beunruhigend. Der Lärm im Bus schwoll auf der Strecke sonst immer an; mit jeder Haltestelle wurde es lauter, je mehr Kinder einstiegen. So wie in einem Film, wenn die Musik zur Schlussszene hin immer lauter wurde. Bei ihm war die Schlussszene der » Buckel«– eine Bremsschwelle auf der Lindler Avenue. Nimm den Buckel, Danny!, schrien sie alle. Nimm den Buckel! Und obwohl er das nicht durfte, gab er dann ein bisschen mehr Gas und ließ sie alle von ihren Sitzen hopsen, und in diesem kurzen Moment war es, als gehörte er zu ihnen. Er war nie ein Kind wie sie gewesen, ein normaler Junge auf dem Weg in die Schule. Aber wenn der Bus über den Buckel fuhr, dann war er es.
    Daran dachte Danny, und er vermisste die Kinder, sogar Billy Nice mit seinen blöden Witzen und seinem Har-har-har, als er vor sich plötzlich einen Jungen sah. Es war Timothy Reese. Er wartete mit seiner älteren Schwester am Ende ihrer Zufahrt. Danny hätte den Jungen überall erkannt wegen der Wirbel an seinem Hinterkopf: zwei Stachel aus Haaren, die hochstanden wie die Fühler eines Insekts. Timothy war einer der Jüngsten; er ging in die zweite, vielleicht in die dritte Klasse, und er war klein. Manchmal wartete die Haushälterin mit ihm, eine rundliche Frau mit brauner Haut, die einen Kittel trug, aber meistens war es die ältere Schwester. Danny vermutete, dass sie auf die Highschool ging. Sie sah komisch aus– nicht komisch zum Lachen, sondern komisch wie merkwürdig; ihre Haare waren rosa wie das Pepto, das Momma ihm gab, wenn sein Magen nervös wurde, weil er zu schnell gegessen hatte, und mit ihrem dicken schwarzen Eyeliner sah sie aus wie eins von diesen Gemälden in einem Gruselfilm, bei denen sich die Augen bewegten. Sie hatte ungefähr zehn Stecker in jedem Ohr, und an den meisten Tagen trug sie ein Hundehalsband. Ein Hundehalsband! Als ob sie ein Hund wäre! Das Komische war aber, dass Danny sie irgendwie

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