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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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Tochter, zusammengekuschelt auf dem Sofa. Die betörende Wärme, wo ihre Körper einander berührten, und die Geschichten, die sie stundenlang vorlesen würde– Peter Hase, Eichhörnchen Nusper und »James und der Riesenpfirsich«, Kates neuestes Lieblingsbuch–, bevor sie beide eindämmerten und ineinander verflochtene Träume träumten. Nie war sie so glücklich gewesen.
    Sie gingen zurück zum Eingang, als Sara zum Fenster hinaufschaute und sah, dass die Vorhänge offen waren. Lila beobachtete sie; ihre Augen waren hinter dunklen Brillengläsern verborgen. Wie lange stand sie schon da?
    Sara zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. » Ich glaube, es hat ihr nur Freude gemacht, uns zuzusehen.« Aber ein Fünkchen Angst glühte in ihr auf.
    » Warum muss ich sie Mummy nennen?«
    Sara blieb wie angewurzelt stehen. » Wieso fragst du?«
    Kate schwieg einen Moment lang. Schmelzender Schnee tropfte von den Ästen.
    » Ich bin müde, Dani«, sagte die Kleine dann. » Nimmst du mich auf den Arm?«
    Ein unerträgliches Glück. Das Kind wog nichts in ihren Armen. Es war ein fehlender Teil ihrer selbst, der zurückgekommen war. Lila schaute immer noch aus dem Fenster herunter, aber das kümmerte Sara nicht. Kate umschlang sie fest mit Armen und Beinen, und so trug Sara ihre Tochter aus dem Schnee zurück ins Apartment.
    Mitteilungen hatte Sara bisher nicht bekommen. Jeden Tag hielt sie Ausschau nach dem umgedrehten Löffel und dem Zettel unter dem Teller, aber da war nichts. Jenny kam und ging, stellte ihr Tablett mit Brot und Maisgrieß und wässriger Suppe ab und huschte wortlos wieder hinaus. Sara hatte das Apartment nicht mehr verlassen, außer um mit Kate in den Hof hinunterzugehen, und so hatte sie Vale nur einmal kurz gesehen, als Lila sie beauftragt hatte, einen Hausmeister anzufordern, der den verstopften Abfluss der Badewanne reinigen sollte. Da war er durch den Korridor gegangen, begleitet von zwei anderen Kols. Der mit den Hängebacken, der an Saras erstem Tag vor dem Aufzug gestanden hatte, war auch dabei gewesen. Vale war einfach an ihr vorbeigegangen. Wie immer war seine Tarnung– die eigentlich nur in seiner Haltung bestand, in dem selbstbewusst schlendernden Gang seines Standes– makellos gewesen. Kein Zeichen des Wiedererkennens wurde zwischen ihnen gewechselt. Wenn Vale wusste, wer sie war, ließ er es sich nicht anmerken.
    Sie selbst durfte nur im Notfall eine Nachricht senden, doch der fehlende Kontakt beunruhigte sie so sehr, dass sie schließlich beschloss, es zu riskieren. Loses Papier gab es im Apartment nicht, aber natürlich die Bücher. Eines Abends, als Lila zu Bett gegangen war, riss Sara eine weiße Seite aus dem hinteren Teil von »Pu der Bär«. Das größere Problem bestand darin, ein Schreibgerät zu finden. Füller oder Bleistifte gab es hier auch nicht. Aber in der untersten Schublade von Lilas Kommode fand sie ein Nähetui mit einem Nadelkissen. Sara nahm die Nadel, die am spitzesten aussah, stach sich damit in den Zeigefinger und drückte einen Tropfen Blut heraus. Mit der Nadel als Schreibfeder kritzelte sie ihre Botschaft auf das Papier.
    Brauche Treffen. D.
    Als Jenny am nächsten Tag kam, um das Lunchtablett abzuholen, wartete Sara schon. Statt dem Mädchen zu erlauben, es wie immer einfach wegzunehmen, nahm Sara es vom Tisch und hielt es ihr entgegen. Sie sah ihr in die Augen und schaute dann vielsagend nach unten.
    » Danke, Jenny.«
    Nach zwei Tagen kam die Antwort. Sara versteckte den Zettel in den Falten ihres Gewandes und wartete auf einen ungestörten Augenblick. Der fand sich aber erst später am Tag, als Lila ihr Nickerchen machte. Sie war jetzt dicht vor dem Ende ihres Zyklus, ausgetrocknet, gebrechlich und schlecht gelaunt; bald würde Guilder wieder mit dem Blut kommen. Im Badezimmer faltete Sara den Zettel auseinander. Darauf standen nur eine Zeit, ein Ort und ein einziger Satz mit einer Anweisung. Sara verließ der Mut; ihr war nicht klar gewesen, dass sie die Kuppel würde verlassen müssen. Dazu müsste sie sich unter einem glaubhaften Vorwand Lilas Erlaubnis verschaffen, und sie wusste nicht, was sie tun sollte, wenn sie sie nicht bekäme. Sara fragte sich, ob Lila in ihrem Zustand überhaupt verstehen würde, was sie wollte.
    Sie brachte das Thema am nächsten Tag zur Sprache, als sie Lila das Haar wusch. Ein paar Stunden Urlaub, so drückte sie es aus. Ein Ausflug auf den Markt. Es wäre schön, ein paar neue Gesichter zu sehen, und wenn sie einmal da wäre,

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