Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
so etwas ist?«
Sara starrte in die stählernen Augen der Frau. Bis zu diesem Moment war ihr nicht klar gewesen, wie wütend sie war.
» Ihr habt gewusst, dass meine Tochter lebt, nicht wahr?«
Nina wickelte sich den Schal vom Kopf. » Natürlich haben wir das gewusst. Das gehört zu unserem Job, Sara: Wir wissen Dinge , un d wir nutzen Informationen. Ich hätte gedacht, du freust dich.«
» Wie lange wisst ihr es schon?«
» Ist das wichtig?«
» Ja, verdammt, es ist wichtig.«
Nina sah sie durchdringend an. » Also schön, angenommen, wir haben es die ganze Zeit gewusst. Angenommen, wir hätten es dir gesagt. Was hättest du getan? Spar dir die Antwort. Du wärst unüberlegt losgezogen und hättest irgendetwas Dämliches getan. Du wärst keine zehn Schritte weit in die Kuppel hineingekommen, ohne deine Tarnung auffliegen zu lassen. Wenn es dich tröstet: Wir haben ausführlich darüber diskutiert. Jackie meinte, du solltest es wissen. Aber die überwiegende Meinung war, dass der Erfolg der Operation an erster Stelle steht.«
» Die überwiegende Meinung. Du meinst, deine.«
» Meine und die von Eustace.« Einen Moment lang wurde Ninas Gesicht sanfter. Aber nur einen Moment lang. » Nimm es nicht so schwer. Du hast doch, was du willst. Sei froh.«
» Ich will, dass sie da herauskommt.«
» Das haben wir uns gedacht, Sara. Und wir werden sie auch herausholen. Beizeiten.«
» Wann?«
» Ich denke, das liegt auf der Hand. Wenn unser Auftrag erledigt ist.«
» Wollt ihr mich erpressen ?«
Nina tat den Vorwurf achselzuckend ab. » Versteh mich nicht falsch, das wäre nichts, womit ich große Probleme hätte. Aber in diesem Fall ist es gar nicht nötig.« Sie schaute Sara aufmerksam an. » Was, glaubst du, passiert mit diesen Mädchen?«
» Was heißt ›diese Mädchen‹? Meine Tochter ist die Einzige da.«
» Das ist sie jetzt. Aber sie ist nicht die Erste. Es gibt immer eine Eva. Ein Kind ist das Einzige, womit Guilder in der Lage ist, Lila ruhig zu halten. Aber wenn sie ein bestimmtes Alter erreichen, verliert die Frau das Interesse an ihnen, oder das Kind lehnt sie ab. Und dann besorgen sie ihr ein neues.«
Sara wurde schwindelig, und sie musste sich hinsetzen. » In welchem Alter?«
» Fünf oder sechs. Je nachdem. Aber es ist immer so, Sara. Das versuche ich dir zu sagen. Die Uhr tickt. Vielleicht nicht heute, nicht mal morgen, aber bald. Dann geht sie ab in den Keller.«
Sara zwang sich, die nächste Frage zu stellen. » Und was ist im Keller?«
» Da machen sie das Blut für die Rotaugen. Wir kennen nicht alle Einzelheiten. Der Prozess fängt mit Menschenblut an, aber dann passiert etwas damit. Sie verändern es irgendwie. Da unten ist ein Mann, eine Art Viral, so heißt es wenigstens. Sie nennen ihn ›die Quelle‹. Er trinkt ein Destillat aus menschlichem Blut, es verändert sich in seinem Körper, und etwas Neues kommt heraus. Hast du gesehen, was mit der Frau passiert?«
Sara nickte.
» Das passiert mit allen, aber bei Männern geht es langsamer. Das Blut der Quelle verjüngt sie. Es hält sie am Leben. Glaub mir, wenn deine Tochter einmal dort unten ist, kommt sie nicht mehr lebend heraus.«
Ein Sturm der Gefühle tobte plötzlich in ihr. Wut, Hilflosigkeit, das wilde Verlangen, ihre Tochter zu beschützen. Es war so intensiv, dass ihr beinahe übel wurde.
» Und was habe ich zu tun?«
» Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du es wissen. Wir holen sie heraus. Du hast mein Wort.«
Sara begriff, was Nina da verlangte. Nicht verlangte: befahl. Sie hatten sie perfekt manipuliert. Kate war die Geisel, und das Lösegeld würde in Blut gezahlt werden.
» Du solltest die anderen dafür hassen, Sara. Konzentriere dich darauf. Denk an das, was sie tun. Der Augenblick kommt für uns alle, auch für mich, genau wie er für Jackie gekommen ist. Ich werde bereitwillig gehen, wenn man es mir sagt.«
» Wo ist es?« Sara brauchte die Frage nicht genauer zu formulieren; es war klar, was sie meinte.
» Besser, du erfährst es erst, wenn es so weit ist. Du bekommst eine Nachricht auf dem verabredeten Weg. Die ganze Operation steht und fällt mit dir, und das Timing ist wichtig.«
» Und wenn ich es nicht kann?«
» Dann stirbst du trotzdem. Und deine Tochter auch. Es kommt nur darauf an, wann. Das Wie habe ich dir schon beschrieben.« Sie schaute Sara tief in die Augen. In ihrem Blick lag kein Mitgefühl, sondern nur eisige Klarheit. » Wenn alles nach Plan läuft, wird es das Ende für die
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